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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Creutz, Max: Eine Kölner Schnitzerschule des XI. und XII. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0100
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1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 5.

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ferner der Einzug Christi in Jerusalem, der
Fußwaschung, der Kreuzigung, der Frauen am
Grabe, Christus in der Vorhölle und der
Himmelfahrt Christi. Dieser Gruppe hat
schon Molinier das Elfenbein im Münster-
schatze zu Essen und das in Tongern6) der
gleichen Hand zugewiesen. Vöge hat ferner
eine Tafel mit Auferweckungsszenen in der
Kathedrale zu Lüttich (Heibig a. a. O., Tai. 3)
und ein Relief im Musee d'antiquites in Brüssel
hinzugefügt, Goldschmidt eine Platte im
Priesterseminar zu Metz Vöge hat den Sitz
der Schule in Köln oder Lüttich angenommen,
und es ist nicht unmöglich, daß die letztere
von Vöge zusammengestellte Gruppe nach
Lüttich gehört. Naturgemäß ergeben sich bei
dem Austausch der Arbeitskräfte, der damals
zwischen beiden Werkstätten bestanden haben
muß, für eine Lokalisierung gewisse Schwierig-
keiten. Doch wird man bei der vom Ver-
fasser zusammengestellten Gruppe an Köln,
bei der Vögeschen an Lüttich festhalten
können. Für letztere scheint das Heraus-
wachsen der Gestalten des Taufbeckens von
St. Barth elemy in Lüttich (1112) diese
Lokalisierung zu bestätigen. Für den Lokal-
charakter der Kölner Gruppe scheint wichtig,
daß eine spätere Elfenbeinschule aus der Mitte
des XII. Jahrh. allem Anscheine nach auch
auf Köln als Ursprungsort hindeutet und vor
allem in einem schon von Vöge erkannten
Zusammenhange an die Lütticher Gruppe an-
knüpft. Die Gruppe dieser Arbeiten ist ziem-
lich umfangreich, jedoch leicht zu erkennen an
der derb romanischen Behandlung der Figuren,
die im Gegensatz zur älteren bildmäßig be-
handelten Gruppe jetzt stark plastisch sich
vom Hintergrunde abheben. Ihr charakte-
ristisches Merkmal ist die punktierte Behand-
lung des Faltenwurfs. Drei Hauptstücke6)
befinden sich wieder in Köln (Kunstgewerbe-
museum) mit Darstellung der Geburt, der
Kreuzigung und der Frauen am Grabe, aus
der ehemaligen Kölner Sammlung Hübsch
drei andere Stücke in Darmstadt, der thronende
Christus zwischen Maria und Johannes7)
(Abb. 5) und den Evangelistensymbolen, eine
Darstellung der Taufe und der Geburt. Zwei

5) J. Hei big, »La sculpture et les arts plastiques
au pays de Lieger, 1890, 2., Taf. 2).

6) Abb bei Gräven, »Elfenbeinbildwerke«.

7) Bei der Renaissanceumrahmung dieses Stückes sind
zwei romanische Säulen verwendet worden. Vgl. Abb. 5.

Stücke, die 1856 in der Nähe von Köln er-
worben wurden, besitzt das Kaiser-Friedrich-
Museum eine Verkündigung an Maria und
eine Ausgießung des hl. Geistes.8)

Die Evangelistenfiguren auf dem Utrechter
Codex im dortigen Erzbischöflichen Museum
zeigen gleichfalls den markanten Stil dieser
Gruppe. Die Hauptgruppe (Abb. 2, 3, 4) der
Arbeiten befindet sich im Londoner South-
Kensington-Museum, eine Geburt Christi, eine
Anbetung der hl. drei Könige und eine
Himmelfahrt Christi. Andere Stücke in der
Stadtbibliothek zu Frankfurt usw., leicht er-
kennbar an der Punktierung der Gewandung.
Der Zusammenhang mit der überlegenen
älteren Kölner Werkstatt wird besonders deut-
lich, wenn man die hier9) abgebildete Kreu-
zigungstafel des South-Kensington-Museums in
ihrer vergröberten Gestaltung als vermittelndes
Glied annimmt. Bei der Randornamentik von
zwei der Londoner Tafel sieht man besonders
deutlich, wie sich diese Bildungen aus dem
Akanthusblatt der älteren Kölner Werkstatt
entwickelt haben (vgl. Abb. 2, 4 mit Abb. 1).

Parallel zu diesen Gruppen von Elfenbein-
arbeiten läuft eine bekannte Reihe von Elfen-
bein- oder Knochenarbeiten, die von Semper10)
in dieser Zeitschrift besprochen wurden. Es
sind ganz primitive Figürchen, die in starren
Linien und winkeligen Falten herausgearbeitet,
zum Schmuck von Reliquiaren verwendet
wurden. Ein Teil dieser Arbeiten hängt mit
der Werkstatt des Rogerus von Helmershausen
zusammen, so die Figürchen am Frontale in
Fritzlar, die achteckige Reliquienbüchse mit
Apostelfiguren im Berliner Kaiser-Friedrich-
Museum11) mit Halbfiguren von Engeln, die
in gleicher Weise wie die Ornamentik auf
Rogerus zurückgehen, und die Reliquiare im
Museum zu Darmstadt, gleichfalls aus der
Rogeruswerkstatt. Von dieser Gruppe unter-
scheiden sich sehr wesentlich die anderen un-
gleich weicher behandelten Elfenbeine,12) die
vermutlich französischen Ursprungs sind. Die
Rogerusgruppe deutet in ihren Werkstatt-

8) Vöge a. a. O., Taf. 18 Nr. 53 u. 54.

9) »Zeitsehr, für christl. Kunst«, 1908, Nr. 8,
Abb. 7-

w) Semper, „Über rheinische Elfenbein- und
Beinarbeiten des XI. und XII. Jahrh.'', »Zeitschr. für
christl. Kunst«, 1896, Nr. 9.

») Vgl.Vögc, »ElfenbeinbIldwerke«,Taf.XVnS.58.

>2; Semper a. a. O. Abb. 2 u. 3, ein Stück
dieser Gruppe 1909 im Münchener Kunsthandel.
 
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