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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Schnütgen, Alexander: Die Sammlung Schnütgen, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0118

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Abhandlungen.

Die Sammlung- Schnütgen III.

(Mit Abbildung 3 — Tafel VI.)

uf der im Heft IV Abb. 1,
teilweise dargestellten Flur
beginnt neben der zweiten
Säule der Treppenaufgang,
der hier (Abb. 3) vom
ersten Podest aufgenom-
men, den Gang der ersten
Etage zeigt mit dem Aufstieg zu dem der
zweiten. — Der Höhenzug und die Mannig-
faltigkeit der perspektivischen Gruppierung
charakterisieren das ansprechende Bild, ob-
wohl die stabförmigen Geländer der Treppen,
namentlich die Unterzüge der letzteren keine
dankbaren Anblicke bieten. Was sie hier etwas
gefälliger macht, ist 'die teilweise Maskierung,
besonders durch das kostbare Antependium,
sowie der Schmuck der untern Wand, zumeist
der Dekor des Flurganges.

Mit dem gesteppten, silberblumenbestickten,
weißseidenen, wohl kölnischen Antependium
des XVIII. Jahrh., als dem Sockel für das
schwäbische Gemälde kurz nach 1450, beginnt
unten links die Tafel. Es stellt auf Gold-
grund das Martyrium der hh. Vitus, Modestus
und Creszentia dar, etwas breit gemalt,
aber zeichnerisch wie farblich eine virtuose
Leistung. — Das trotz der Fläche gut bewegte
bayerische Holzrelief der hl. Agatha daneben
leitet zu dem spätgotischen schwebenden Engel
über, der den Zwickel des Bogens schmückt,
in dessen anderem Zwickel, über dem Säulen-
kapitäl, die vortreffliche Strahlenmadonna mit
dem Sockelprofil, die in der unverletzten
Polychromie ihrer Ursprungszeit als ein vor-
zügliches Erzeugnis der fränkischen Holz-
skulptur um 1520 bezeichnet werden darf. —
Das leinenbestickte Antependium darüber ist
von Frau Lipperheide in ihrer „Frauenzeitung"
vor zirka 20 Jahren farbig abgebildet und
genau beschrieben worden, eine seitdem viel
gebrauchte Vorlage ersten Ranges. Auf dem
Gebildegrund sind die noch gotisierenden
Blumen, innerhalb granatapfelartiger Um-
rahmung, in Ausschnitt- und Aufnäharbeit mit
Überfangstich befestigt und die Sammtman-
dorla mit dem Rosenkranzmotiv der Mitte
zeigt das Applikationsbild der Gottesmutter mit

den knienden hh. Dominikus ' und Theresia
sowie einer Weiheschrift, die auf kölnischen
Ursprung im Jahre 1623 hinweist. Die Abschluß-
borte wiederholt das strenge Dekorationsmuster
in kleinerer Form und streifenmäßigem Zuschnitt.
Was neben und über diesem Antependium
erscheint als Verzierung der hier nur halb
faßbaren Gangwand, besteht hauptsächlich in
Gemälden und Holzfiguren. — Den hier an
die rechte Seite gerückten Mittelpunkt der
Wand bildet eine Türnische, die ganz mit
Maßwerk- und Ornamentfragmenten gefüllt
ist; von spätgotischen, vergoldeten Schnitz-
altären herrührend, haben sie für Bildhauer
vorbildlichen Wert. — Die beiden interessanten
Altarflügel, von denen sie zum Teil bedeckt
werden, mit den Bildern der 14 Nothelfer,
weisen nach Oberbayern hin, wo dieser Kultus
in der spätgotischen Periode ganz besonders
gepflegt wurde. — Unter dem einen stehen
auf dem Boden eine hochgotische rheinische
Bischofsstatue von ausgezeichnetem Schwung
und Ausdruck, nebst zwei weiblichen Figuren
der rheinischen Spätgotik, auf einer gotischen
Truhe eine westfälische Dreikönigengruppe.
Die beiden großen Altarflügel darüber sind gute
Originalarbeiten von Barthel Braun. — Auf den
Mittelrhein weist die etwas frühere Strahlen-
madonna hin, während das Bischofsbild des
hl. Erasmus wiederum nach Köln führt als eine
Arbeit des Meisters von St. Severin. — Über der
Eingangstür zum Saal und zu den übrigen vier
Zimmern der ersten Etage, in welche die nächsten
Hefte Einblicke verstalten werden, hängt ein
süddeutsches Hautrelief der Krönung Mariens,
neben dem ein schwäbisches Gemälde kurz
vor 1500, unter welchem ein etwas jüngerer
bayerischer Flügel mit Reliefs auf den Innen-,
gemalter Verkündigungsmadonna auf der
Außenseite. — Den alten spätgotischen Tep-
pichen und Gobelins, die vom obersten Ge-
länder höchst malerisch herabschweben, konnte
der Apparat nicht mehr recht beikommen.

Daß selbst die Treppenaufgänge eine solche
Fülle größerer Gegenstände aufzunehmen ver-
mochten, nicht nur zu dekorativer, sondern
auch zu lehrreicher Wirkung, ist ein Beweis für
deren glückliche Anlage, die weiträumig und
lichtvoll ist, ohne die Raumbedürfnisse einer
Domherrnkurie zu überbieten. Schnütgen.
 
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