Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

DOI Artikel:
Witte, Fritz: Thuribulum und Navicula in ihrer geschichtlichen Entwickelung, [3]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0123
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
171

1910.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

172

Weihrauches gedient haben. Und das auch
noch zu Zeiten, wo das Schiffchen bereits
Aufnahme gefunden hatte. So tragen die
Engel auf den Wandmalereien der St. Chapelle
in Paris runde Büchsen in der Form eines
kleinen Salzfasses in den Händen, und noch
1471 nennt das Inventar von Santa Maria di
Campiglio „ein messen buchsen zu weirach" 32).
Wann die acerra die Form des Schiffchens
angenommen hat, wird sich kaum je bestimmen
lassen, alle archivalischen Notizen aber und
die uns im Original überlieferten Stücke haben
eine andere, man darf wohl sagen willkürliche
Form. Mag die Notiz des Papstbuches über
Schenkungen Konstantins auch wenig Anspruch
auf Zuverlässigkeit haben, immerhin sind seine
Angaben mit Rücksicht auf die Bezeichnungen
wie die Vorstellungen, welche des Schreibers
Zeit hatte über den Gegenstand, für uns von
Bedeutung. Die Laterankirche soll danach
ein „thimiamaterium aureum cum gemmis
prasinis (Smaragd) et hyacinthinis 42 pensans
libras 10" erhalten haben. Da die Notiz un-
mittelbar auf die Aufzählung der Räuchergefäße
folgt, sollte man schon aus diesem Grunde an
ein Thuribulum selbst nicht denken, dagegen
spricht auch die für das sich erhitzende Gefäß
höchst unpraktische Ausstattung mit so kost-
baren Edelsteinen. Eine Vorstellung von der
Ausstattung und Gestalt solcher Behälter gibt
uns eine Schale von großem Gewichte in
S. Marco in Venedig. Es ist ein mulden-
förmiges ovales Glasgefäß mit feinster ver-
goldeter Silberfassung und gehört seiner Ent-
stehung nach dem XII. Jahrh. an. Das mehr-
fach erwähnte Schatzregister des Mainzer
Domes aus dem XIII. Jahrh. erwähnt eine
„acerra de lapide integro onychino (Onyx)
concavo, habens similitudinem vermis horribilis
i. e. ut bufonis". Achatartige Steine scheinen
besonders beliebt gewesen zu sein, das Prager
Inventar redet von einem Weihrauchgefäß
„aus Jaspis, ringsum in reinem Golde gefaßt,
zum Tragen des Weihrauches". Die öfter
erwähnte Muldenform der acerra war für
den Gebrauch besonders praktisch, mochte
man nun mit dem Löffel den Weihrauch
herausheben oder ihn direkt über die Spitzen
weg ins Feuer gießen. Wahrscheinlich hat

8!) Decloux-Doury, »Hist. de la Sainte Cha-
pelle« (Paris 1875) Taf. 1 u. 6.

O. v. Zingerle, »Mittelalter], Inventare aus Tirol
und Vorarlberg« (Innsbruck 1909) XXIX. 17.

diese Form auch zur späteren Ausgestaltung
des eigentlichen Schiffchens geführt, das vom
XIII. Jahrh. bis auf unsere Tage sich behauptet
hat. Daneben kamen aber immerhin noch
andere Formen vor, wie ein höchst interessantes
Stück aus Bronze im Germanischen Museum
zu Nürnberg in Gestalt eines ruhenden Löwen
erweist33). (Abb. IX.) Auf den ersten Blick
macht es den Eindruck eines winzigen Aqua-
maniles; es hat wie diese auf dem Rücken
eine Klappe zum Einführen der Körner, ein
Schlitz unter der Klappe diente zur Aufnahme
des Löffelchens. Daß man auch diesem un-
scheinbaren Gebrauchsgegenstände seine Be-
deutung beigemessen hat, das erweist der
Umstand, daß die Augen des Löwen durch
Halbedelsteine gebildet sind. Die weit ge-
bräuchlichere Form ist aber zweifellos die
des Schiffchens, der navicula gewesen. Einige
gute Stücke, meist auf Limoges zurückgehend,
sind in Museen und Privatsammlungen er-
halten geblieben, so im Germanischen Museum,
im Bischöflichen Museum zu Münster i. W.,
in der Kirche zu Neuenbeken bei Paderborn
usf. (Abb. X.) Der Name navicula ist wohl
auf die allmählich eingebürgerte Muldenform
des Weihrauchbehälters zurückzuführen, die
symbolische Bedeutung hat ihm wohl erst
eine spätere Zeit unterschoben. Durandus
gibt uns wiederum an der angeführten Stelle
die nötige weitschweifige Erklärung: „navicula
vero, in qua incensum reponitur, designat,
quod per orationem quam incensum significat,
de huius mundi mari magno et spacioso
ad celestem patriam satagimus navi-
gare" (a. a. O.).

Die einmal gewonnene Form der navicula
ist durchweg beibehalten worden unter mehr
oder minder genauer Nachbildung der Schiff-
gestalt. Das vornehmste Prunkstück dieser
Art, das mir bekannt geworden ist, birgt
wiederum die Kirche S. Antonio in Padua.
Das vollausgerüstete Kriegsschiff mit großer
Takelage, mit Matrosen auf den Masten und
kampfbereiten Soldaten, ruht auf reichem ge-
triebenem Blattwerk, das von einem Meer-
weibchen mit zwei Fischschwänzen getragen
wird. (Abb. XI.) Trotz des an deutsche Ar-
beiten erinnernden Blattwerkes wird es mit
Rücksicht auf die Figuren und viele andere

3:i) Abgeb. u. bespr. bei Essenwein, »Kunst-
und kulturgeschichtliche Denkmäler des Germ. Museums«
Taf. V. 2.
 
Annotationen