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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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189

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 6.

190

und Reliefbehandlung, in Komposition und Ornament
eine ungewöhnlich sichere Hand, erinnern sogar stark
an die trefflichen deutschen Plastiken des XII. Jahrh.
Kurzum, vollste Anerkennung und rückhaltloses Lob
ist hier bei der Besprochung am Platze.

Köln. Fritz Witte.

Walter Josephi, Die Werke plastischer

Kunst. Kataloge des German. Nationalmuseums.

Mit 6+ Tafeln und 160 Textabbildungen. Nürnberg,

Verlag des Germ. Mus. 1910.
In diesem (zum drittenmal) neu erscheinenden
Katalog ist die 718 Nummern beiragende Sammlung
des Nationalmuseums, man darf wohl sagen durchweg
endgültig der Kunstforschung zugänglich gemacht,
eine Sammlung, auf die wir „Kleineren" nicht ohne
Neid und mit einer gewissen Wehmut hinschauen, sind
doch so manche auserlesene heimische Arbeiten dar-
unter, die wir mit Stolz und Freude in unsere eigenen
Museen stellen würden. Doch, sie stehen im Nalional-
museum und wir geben uns um so lieber damit zufrieden,
als sie uns jetzt tagtäglich zugänglich sind in diesem
grandiosen Führer.

Josephi durfte an zahlreichen Stellen seines Kata-
loges bei Besprechung einzelner Stücke, die der Orts-
bestimmung usf. Schwierigkeiten machen könnten, hin-
weisen auf eigene eingehende Einzelunlersuchungen,
die im Laufe der letzten Jahre in den „Veröffent-
lichungen" erschienen sind. Deshalb auch die kernige,
sichere Art der Zuschreibung und Beurteilung, deshalb
die absolute Vertrautheit mit dem weitschichtigen Stoff.
Mit größtem, aufrichtigem Danke nimmt man vor
allem die ausgiebige Literaturangabe bei jeder Nummer
entgegen, die unschätzbares Hilfsmaterial für Einzel-
studien an die Hand gibt. Die Beschreibungen, fein
abgewogen in ihrer Ausdehnung nach der kunst-
historischen Bedeutung der einzelnen Stücke, sind trotz
aller Knappheit durchaus präzis und verständlich.
Nr. 462 würde ich dem Niederrhein, Nr. 469 nicht
Osnabrück, sondern Münster oder dem Osten West-
falens zuschreiben, da Osnabrück meines Wissens erst
später selbständig arbeitete, wie die in meinem Besitz
befindlichen Auszüge aus dem Ausgaben- und Ein-
nahmen-Register der Domfabrik erweisen. Nr. 134,
dieses prächtige iimousiner Relief, stellt die dem
frühen Mittelalter geläufige Himmelfahrt Alexanders
d. Gr. dar. Die Illustrationen sind im Text wie in
den Tafeln prächtig. Der Katalog sieht durchaus eben-
bürtig neben den Berlinern, übertrifft diese aber stellen-
weise weit an Genauigkeit des Textes. Das Buch ist
den allerbesten Museumsveiöffentlichungen beizurechnen.

Köln. Fritz Witte.

Die Villen des Andrea Palladio. Ein Bei-
trag zur Entwicklungsgeschichte der Renaissance-
architektur. Mit Unterstützung der Königlich
Bayrischen Akademie der Wissenschaften heraus-
gegeben von Fritz Burger. Klinkhardt & Bier-
mann in Leipzig. (Preis 12 M.)
Fritz Burger zieht einen stark in Vergessenheit
geratenen Baukünsller des XVL Jahrh. wieder mehr
in den Vordergrund. Palladios Bauten sind vielfach
nicht sonderlich.bewertet worden nach ihrer Bedeutung
für die lokalen Kunstströmungen der Lagunenstadt,

die ja notwendig zurücktreten müssen im XVI. Jahrh.
vor den altern Prachtbauten und denen der übrigen
Großstädte Italiens in jener Zeit. Und doch wird
keiner den nachhaltigen Einfluß bestreiten wollen, den
Palladios Villenbauten über Jahrhunderte weg ausübten
auf die Erhaltung des Sinnes für Monumentalität, der
unter der erdrückenden Willkür des Barock leicht
hätte untergehen können. Burger versteht Palladios
klassisches Gefühl für Raum und Flächenwirkung, seine
Verdienste für die Schaffung eines klassischen Stiles
für den die Landschaft beherrschenden und bestimmen-
den Bau trefflich zu schildern und wiikt auf den
Leser trotz mancher zu sensibler Erklärungsversuche
fast stets überzeugend. Das Buch verdient die überaus
würdige Ausstattung.

Köln.

Fritz Witte.

Der unbekleidete Mensch in der christlichen
Kunst seit neunzehn Jahrhunderten. Eine kunst-
und kulturgeschichtliche Untersuchung von Dr.
Berhold Haendcke. Straßburg bei Heitz und
Mündel 1910. (Pr. M. 6.—.)
Von dem Verfasser sind wir in den letzten Jahren
gewöhnt worden, alljährlich ein neues Buch von ihm
in die Bücherei stellen zu müssen. Er bewegt sich
mit Vorliebe auf breitem, weitem Kampfplätze; wirk-
lich, auf einem Kampfplatze, den man niemals ohne
Beule, ohne Schramme verläßt. Haendcke stellt sich
auf die hohe Warte, um weit zu sehen, möglichst
weit seine kritischen Augen schweifen lassen zu können ;
dabei wird er selbst aber auch weit gesehen und bietet
er manche leicht verwundbare Stelle. Es ist ein ge-
wagtes Unterfangen, Jahrhunderte, Völker, ganze
Kulturen miteinander verbinden und unter einen Hut
bringen wollen. Wie fern mag den Künstlern derjenigen
Epochen, denen wir keine der vielen „Renaissance"-
Nummern an die Stirn hängen können, der Gedanke
an die Darstellung des Nackten gelegen haben 1 Ich
für meine Person glaube z. B., daß fast ausschließlich
religiöse Vorstellungen mit ihren ewig wiederkehrenden
Verschiebungen sich unter den Einfluß nationaler
Empfindungen und Vorstellungen stellten, und die
Künstler ohne gute und böse Nebenabsichten an die
fast vereinzelt dastehende Wiedergabe des nackten
Körpers beim Kruzifixus herangingen. Ob je seiner
selbst wegen der Christus modelliert wurd: bis ins
XII. Jahrh. hinein? An eine Unterwerfung des
religiösen Gedanken* unter den rein künstlerischen glaube
ich vorläufig noch nicht. Mit der Wechselhurger
Gruppe muß man das enge Verhältnis des ganzen
Zeitalters, nicht bloLf des einzelnen Künstlers, zur
Natur zugeben, und schon früher wie hier und bei
der Bamberger Paradiesesgruppe set7t die Kunst ein,
der Natur ihre Wirklichkeitsformen abzulauschen. Mir
scheint, das Gewand spielt eigentlich nicht einmal
immer eine Rolle, das „Nackte" unter dem schleierhaft
aufliegenden Gewände romanischen Kunstschaffens ist
oft prägnanter als das gewandlose, und diese Er-
scheinung ist gleichwertig mit" in die Untersuchung
einzubeziehen. In manchen Partien folgt man Haendcke
mit großer Freude und hohem Genuß, weil er so ganz
— wie bei Michelangelo — im Empfinden des Künstlers
zu leben scheint. Den Rubens hätte ich anders an-
gefaßt. Und ihn neben Bernini stellen ? Die beiden
 
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