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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Braun, Joseph: Die englischen Alabasteraltäre
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0169

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243

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

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Hauptflügeln, teils auf den Flügeln der Über-
höhung zu denken.

Eno-Iand hat zwar noch eine Anzahl ein-
zelner Reliefs, jedoch keinen vollständigen
Altaraufsatz oder auch nur eine vollständige
Reihe von Szenen mehr. Und dabei waren
gerade die englischen Kirchen einst reich an
Alabasteraltären. So hatte die Londoner
Karthause nach dem Inventar von 1538/39
ihrer drei, die Kathedrale von Peterborough
in ihren Annexkapellen um dieselbe Zeit
fünf. Zu Ripon gab es noch 1567 sechs der-
selben, welche jedoch beiseite geschafft und in
einem Gewölbe der Kirche untergebracht
waren 7). Bis zum Tode Heinrichs VIII. blieben
die Bildwerke und die Altäre in den Kirchen
unberührt. Als aber unter Eduard VI. der
Kalvinismus eindrang, begann bald ein förm-
licher Vernichtungskampf gegen alles, was
Heiligenbild und Altar hieß. Als „papistischer
Aberglaube" wurden nun Bilder und Altäre
weggerissen, zerhackt und zerschlagen, und
zwar so gründlich, daß von all der alten Herr-
lichkeit sich nur einige minimale Reste er-
hielten. Wohl nirgends, außer in den nördlichen
Niederlanden, hat die Neuerung des XVI. Jahrh.
so radikal zugrunde gerichtet, was das katho-
lische Mittelalter an Skulpturen und Altären
geschaffen hatte, wie in England.

In Dänemark gibt es, außer einer An-
zahl einzelner Tafeln, noch drei ganze Ala-
basteraltäre. Zwei sind vollständig intakt.
Einer derselben befindet sich im National-
museum zu Kopenhagen (Bild 1). Er stammt
aus Munkathveraa auf Island und mißt bei
geöffneten Flügeln in der Breite 1,75 m. Seine
Höhe beläuft sich auf 0,70 m. Der Schrein
enthält drei Reliefs: Die Geburt des Hei-
landes, seine Auferstehung und seine Himmel-
fahrt, die beiden Flügel je zwei, der linke die
Verkündigung und die Einzelfigur- des hl. Jo-
hannes des Täufers, der rechte die Aufnahme
Maria und den hl. Johannes Evangelist. Wie
man sieht, berührt sich das Bildwerk sehr
nahe mit dem des ehemaligen Alabasteraltars
zu Ferte-Bernard. Die Tafeln stehen in einer
nach innen zu sich breit abschrägenden Um-
rahmung, deren Schräge in viereckige, ab-

7) Drei Alabasteraltäre in St. Andreas zu Lewes
(Sussex) wurden 1548 an Franzosen verkauft, die sie
dann wobl nach Frankreich gebracht haben werden.
Churchwardens accounts of St. Andrews. Lewes in
Sussex, Archaeological Collections XLV, 51.

wechselnd goldene und weiße Felder abgeteilt
ist. Die goldenen Felder sind ohne weitere
Belebung geblieben, die weißen dagegen mit
länglichen, keilförmigen Noppen besetzt. .

Der Schrein endet horizontal, entbehrt also
der Überhöhung, wie sie bei reicheren Ala-
basteraltären angewandt zu werden pflegte,
und ist von einem Blattkranz bekrönt. Die
Bekrönung ist vergoldet, der Schrein selbst hat
eine dem Alabaster ähnliche weißliche Färbung
erhalten. Unter den einzelnen Bildwerken
steht, wie auch auf andern dieser Alabaster-
altäre, eine auf die dargestellte Szene bezüg-
liche Inschrift in gotischen Minuskeln: Gaude
casta concipiens. Gaude virgo parluttens. Gaude
nato resurgenti. Gaude christo ascendentü Gaude
coelo collocato. Wie die Außenseite der Flügel
beschaffen ist, war bei der Art der Aufstellung
der Retable, die eine Untersuchung derselben
allzu schwierig machte, nicht festzustellen.
Wir haben sie uns indessen zweifellos bemalt
zu denken.

Der zweite Alabasteraltar befindet sich in
der Kirche zu Borbjerg (Bild 2). Er ist einem
um 1600 angefertigten Renaissancealtar ein-
gebaut und zeigt jetzt in seiner Gesamter-
scheinung wie in der Anordnung der Tafeln
den Typus des Schreines im Nationalmuseum,
von dem er sich hauptsächlich dadurch unter-
scheidet, daß über den Reliefs — ausgenommen
über dem etwas höheren, mittleren — zur Aus-
füllung des Raumes Alabasterbaldachinchen
angebracht sind. Ursprünglich war indessen
auch die Retable zu Borbjerg in der Mitte
überhöht. Die Beseitigung der Überhöhung
erfolgte unter Entfernung des Baldachinchens
der mittleren Gruppe bei Einfügung des Altars
in den neuen Renaissanceaufsatz. Das Bild-
werk stellt fünf Szenen aus der Legende des
hl. Georg dar; die Einzelfiguren in dem
äußersten Felde der Flügel geben St. Georg
und St. Michael wieder. Der dritte dänische
Alabasteraltar befindet sich in der Kirche zu
Vejrum (Bild 3). Auch er ist einem Renais-
sancealtar eingearbeitet, der um das Ende des
XVI. Jahrh. entstand. Der Schrein, in dem
die Reliefs stehen, ist aber nicht der ursprüng-
liche und nicht für die Reliefs gemacht; dazu
ist er für diese allzuhoch. Wahrscheinlich er-
folgte die Anbringung der Tafeln in dem
heutigen Schrein gleichzeitig mit der Anferti-
gung des Renaissancealtares. Das Bildwerk
stellt fünf Begebenheiten aus der Legende der
 
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