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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Braun, Joseph: Die englischen Alabasteraltäre
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0171

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247

19io. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

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angefertigt. Die Hauptwerkstätten der „Ala-
blastermen" befanden sich zu Hanburg und
Tutbury, zu Cheliaston, York, Burton und
Linkoln, namentlich aber zu Nottingham,
dessen Alabasterarbeiten besonders in An-
sehen standen und begehrt wurden. Ver-
wendet wurde zu Nottingham Alabaster aus
den Gruben von Cheliaston. Es ist das Ver-
dienst St. John Hopes, den Ursprung der uns
hier beschäftigenden Alabastertafeln und Ala-
basteraltäre klargestellt zu haben8).

Für die „Alablastermen" wurde die Ein-
führung des Kalvinismus in England zum
Verderben, während die um die gleiche Zeit
sich vollziehende teilweise Hinwendung zur
Renaissance einen nachteiligen Einfluß auf
den Rückgang der Tätigkeit der Alabaster-
bildhauer kaum ausgeübt haben dürfte. Die
Annahme des Kalvinismus bedeutete Aus-
rottung des Bildwerkes und der Altäre in
den Kirchen. Wenige Jahrzehnte, und die
Kirchen waren, wie schon vorhin gesagt wurde,
gründlich gesäubert. Unter solchen Umständen
konnte natürlich von Neuarbeiten für eng-
lische Kirchen keine Rede mehr sein, das
aber mußte notwendig zum Tode der vor
allem kirchlichen Zwecken dienenden Ala-
basterindustrie führen. Denn die Hauptab-
nehmer waren ja, wieviele Altäre auch ex-
portiert wurden, zuletzt im eigenen Lande ge-
wesen. Aber auch im Auslande hatten die
religiösen Neuerungen des XVI. Jahrh. den
englischen „Alablastermen" manches lutherisch
oder kalvinisch gewordenes Absatzgebiet ver-
schlossen. Und dann, wie konnten überhaupt
Werkstätten von Altären uud Heiligenbildern
noch auf einem Boden und in einer Um-
gebung gedeihen und tätig sein, welche
Altäre und Heiligenbilder als Aberglauben
und Götzendienst verschrien!

Es wäre zu wünschen, daß wir in der
Lage wären, die verschiedenen Werkstätten
bzw. Schulen der „Alablastermen" auf Grund
sicherer Anhaltspunkte zu unterscheiden.
Leider sind wir dazu noch nicht imstande, weil
es noch durchaus an den unumgänglich nötigen
Vorarbeiten gebricht. Vor allem wäre eine
möglichst vollständige Zusammenstellung der
noch vorhandenen Reliefs und eine Wieder-
gabe wenigstens der wichtigsten Tafeln ein

8) Vgl. namentlich »The Archaeological Journal«
LXI (1904), 221 ff.

unbedingtes Erfordernis, um mit Hilfe dieses
Verzeichnisses und dieser Reproduktionen ein
gründliches vergleichendes Studium des noch
erhaltenen Bestandes an englischen Alabaster-
tafeln zu ermöglichen. Aber nicht das allein.
Es müßten auch, und zwar noch mehr als es
bisher geschehen ist, die Archive Englands"
auf Nachrichten über die „Alablastermen"
hin untersucht werden, eine allerdings nicht
gerade einfache und leichte Sache. Hoffen
wir indessen, daß irgend jemand aus Eng-
land, wo man ja zurzeit soviel für das Studium
der kirchlichen Vergangenheit tut, das sehr
wichtige Werk beginnen wird.

Ich habe vorhin auf die schlichte Erschei-
nung aufmerksam gemacht, welche die eng-
lischen Alabasteraltäre bieten, und auf den
Gegensatz hingewiesen, in dem sie zu den
gleichzeitigen deutschen Allarbauten stehen.
Als Hauptsache gibt sich bei jenen auf den
ersten Blick das Bildwerk zu erkennen, das
ja in der Tat die Hauptsache, gleichsam die
Seele ist, und zwar ist es stets nur eine Reihe
von Bildtafeln, welche die Altäre aufweisen.
Es herrscht darum Übersichtlichkeit, Durch-
sichtigkeit, Klarheit in dem Bilderschmuck,
dessen Einzeldarstellungen eine einzige un-
unterbrochene Folge bilden. Die Umrahmung
zeigt die größte Einfachheit. Alles übermäßige
Ornament, alles, was dem Rahmen eine grö-
ßere Bedeutung geben könnte als die einer
Einfassung und einer Folie, von der sich das
Bildwerk wirksam abheben soll, ist fast mit
Ängstlichkeit vermieden. Sollen wir das als
einen Mangel der englischen Alabasteraltäre
bezeichnen ? Ich glaube nein. Vielmehr
möchte ich darin einen entschiedenen Vorzug
derselben sehen. Das Bildwerk ist und bleibt
nun einmal das Wesentliche ; die Umrahmung
ist zwar gewiß nicht ohne Bedeutung, aber
doch zuletzt das Nebensächlichere. Mag
man auch die Schlichtheit der Umrah-
mung bei den englischen Alabasteraltären
etwas zu groß finden, der Gedanke, der in
ihr zum Ausdruck kommt, ist auf alle Fälle
sehr der Beachtung wert. Es war nicht erst
die Renaissance, welche die Nebensache beim
Aufbau, die Fassung, zu sehr auf Kosten des
Bildwerkes betonte und ausbildete, schon zahl-
reiche spätgotische, deutsche Aufsätze haben
darin mehr, als gut war, getan.

Luxemburg.

Jos. Braun S.'J.
 
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