Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

DOI Artikel:
Bücherschau
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0195

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
285

1910- — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9;

286

wirkt vortrefflich, wo die Bilder in einer gewissen
Abrundung erscheinen, der Textgruppierung zu lieb nicht
zu sehr verstümmelt. Wo jedes von beiden, horizontal
oder vertikal, einen Teil des Blattes einnimmt, oder
wo vignettenartig das Hauptbild seine Ergänzung findet,
da ist die Wirkung tadellos. — Zahlreich sind dazu
die Belege, die auf den 48 Querfolioseiten des vor-
liegenden, in jeder Hinsicht geschmackvoll ausgestatteien
Festbandes geboten weiden. — Von der „Verheißung"
bis zur „Seligpreisung durch alle Geschlechter" wird
hier in 48 mehr oder minder figurenreichen Szenen
der Lebenslauf der Gottesmutter dargestellt mit zahl-
reichen Anklängen an die herkömmlichen Typen und
doch in durchaus selbständigen Auffassungen, und Grup-
pierungen, die dadurch aktuell und spannend wirken,
stellenweise fast wie Vorfälle unserer Tage. Jede
Person ist charakterisiert trotz ihrer Eingliederung in
die Szenen, die nirgendwo etwas Gezwungenes hat,
auch in farblicher Hinsicht durchaus einheitlich gestimmt.
Wo für Anbringung symbolischer Zeichen, namentlich
Blumen, Stellen sich boten, wo die vorbildlichen
Elemente, die für das Leben der allerheiligsten Jung-
frau so fruchtbar sind, sich anbringen ließen, hat der
Maler sein ungewöhnliches Kombinationstalent in der
ansprechendsten Weise verwertet, überall eine verständ-
liche Sprache redend, die von dem sinnigen aufklären-
den und auferbaulichen Text neben oder unter den
Miniaturen reichlichen Sukkurs erfährt. — Einzelne
Darstellungen, wie die Verheißung, der Zweifel Josephs,
die Herbergsucher, die Huldigung der Künste sind völlige
andere partielle Be. eicherungen des marianischen Bilder-
kreises, und lassen weder hinsichtlich des Frommsinns
in der Erfindung, noch in Bezug auf die Ausgestaltung
des Themas etwas zu wünschen übrig. Wo die Ge-
wandbehandlungen zu wuchtig, die Figuren zu breit
und massiv erscheinen, mag die szenische Formulierung
dafür den Grund abgeben. — Also eine ungewöhnlich
kostbare Weihnachtsgabe! Schnütgen.

Geschichte der Verehrung Marias im XVI.
und XVII. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Reli-
gionswissenschaft und Kunstgeschichte von Stephan
Beissel, S. J. Mit 228 Abbildungen. — Herder
in Freiburg 1910. (Pr. M. 14.50).
Auf die „Geschichte der Verehrung Marias in
Deutschland während des Mittelalters" (hier in Bd. XXII
Sp. .05 besprochen) hat der Verfasser diese auch auf die
anderen Länder, besonders Italien, und auf die beiden
folgenden Jahrhunderte ausgedehnte Fortsetzung sehr
schnell folgen lassen, die in einem weiteren, das XVIH.
und XIX. Jahrh. umfassenden Bande ihren Abschluß
finden soll. Gebe Gott, daß der unermüdliche Ver-
fasser, dessen Sammeleifer fast beispiellos ist, dieses
Ziel erreicht für sich und für uns!

Den mancherlei Neubildungen auf dem Gebiete der
Marienverehrung geht der Verfasser sorgsamst nach,
mögen sie sich auf den „englischen Gruß", den „Engel
des Herrn", die Ausbildung der Rosenkränze, der
Bruderschaften usw. beziehen. Den verschiedenen Dar-
stellungen der Gottesmutter, den gemalten wie den pla-
stischen sind lange Kapitel gewidmet, namentlich auch
denjenigen, die sich auf die unbefleckte Empfängnis be-
ziehen, die immer mehr in den Vordergrund tritt,
neben den Schmerzen Mariens. Die Symbolik nimmt
neue Formen an, zu deren Feststellung noch mehr

abbildliches Material hätte herangezogen werden können
an Stelle mancher, ohnehin schon sehr bekannten
Bilder. Gerade auf diesem Gebiete verfügt ja der
Verfasser über einen ungemein reichen Schatz, der auch
bis ins XVIII. Jahrh. ergiebig ist und, dank manchen
neuen Gesichtspunkten, die Verallgemeinerung sehr ver-
dient. In dem langen Appendix über „das heilige
Haus zu Loreto" bewährt der Verfasser sich in seiner
durchaus berechtigten Traditionstreue und dennoch ganz
objektiven Beurteilung, die Vertrauen weckt zu den
Ergebnissen seiner Untersuchungen, wie der warme
Ton seiner ehrfurchtsvollen Darlegungen zugleich er-
baulich wirkt. Schnütgen.

MaxCreutz, Die Anfänge des monumentalen
Stiles in Norddeutschland. Köln 1910.
Dumont-Schaubergsche Buchhandlung.
Eine würdige, passende Festgabe widmete der
Direktor des Kölner Kunstgewerbemuseums dem Stifter
der „Sammlung Schnütgen" und Herausgeber dieser Zeit-
schrift zur Eröffnungsfeier der Sammlung. Es ist
eine verhältnismäßig dunkle Zeit, in die der Verfasser
sich wagt, wenig nur erleuchtet durch ganz vereinzelte
historische Daten und Namen. Eine Reihe von Vor-
arbeiten zu seiner Schrift legte Creutz in dieser Zeit-
schrift gelegentlich nieder. Viel bedeutsamer als man
denkt ist die Zahl der uns noch erhaltenen Werke der
monumentalen B'rühkunst in Norddeutschland, viel be-
deutsamer auch sind sie an reellem künstlerischem
Wert. Nicht Einzelarbeit verschiedenartigster Schulen,
die sich etwa aus dem Auslande, jede anderswoher,
ihre Nahrung geholt hätten, bedeuten die uns über-
lieferten Denkmäler, Creutz weist uns an der Hand
stilistischer Eigenarten vornehmlich nach, daß alle diese
Werke, mögen sie nun der Plastik, der Buchmalerei
oder sonst einem Kunstzweige angehören, ursprünglich
durch eine einzige große Künstlerseele hindurchgegangen
sind, daß ein Geist die Regung weckte, die wiederum
ihre Wurzeln in der Geistesrichtung der Zeit überhaupt
hatte und infolgedessen auch von dem Durchschnitt
der Künstler mit- und nachempfunden werden und
einen im gewissen Sinne einheitlichen Stil sich ent-
falten lassen konnte. Künstlerische Probleme, wie
eben diese Frühkunst Norddeutschlands sie sich gestellt
und auch wohl gelöst hat, interessieren uns Menschen
von heute mehr denn je, da dieselben auch in unserer
eigenen Zeit tief begründet liegen. Wie haben die
Künstler gesehen, wie und was haben sie gefühlt? —
nicht gedacht — das sind die Fragen, denen Creutz
immer wieder mit Fleiß nachgeht. Tatsächlich erweist
Creutz, daß dieser frühe Monumentalstil nicht in jenem
Abhängigkeitsverhältnis von Byzanz steht, von dem man
so gern spricht, daß sie vielmehr gar bald auf eigene
Füße sich stellte. Interessantsinddes Verfassers Ausfüh-
rungen über die Betonung des linearen Elementes in der
Plastik im Gegensatz zu dem mehr malerischen. Creutz ist
zu einem rechten persönlichen Verhältnis zur Kunst der
von ihm seit längerem bevorzugten und behandelten
Zeit gelangt, deshalb wirken seine Deduktionen auch
so überzeugend. Eine respektheischende Leistung, zu-
gleich Seite um Seite, besonders im Resultat ein Beleg
dafür, daß die richtige Beurteilung alter Kunst nicht
einzig auf dem Boden trockener Aneinanderreihung
kunsthistorischer Notizen erwächst, als vielmehr aus der
 
Annotationen