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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Braun, Joseph: Eine alte Kopie des Wallfahrtsbildes zu Maria-Zell
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0205

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290

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

296

Eine alte Kopie des Wallfahrtsbildes zu Maria-Zeil.

(Mit 2 Abbildungen.)

n Bd. XIX Sp. 117 ff. dieser Zeit-
schrift habe ich einedem XV.Jahrb..
entstammende Kopie eines in vor-
reformatorischer Zeit in der Wiesen-
kirche zu Soest, später und auch heute noch
zu Werl aufbewahrten, viel verehrten Gnaden-
bildes, einer Schöpfung des XIII. Jahrh., ver-
öffentlicht. Heute kann ich ein interessantes
Gegenstück zu dieser Kopie, eine frühe Nach-
bildung eines andern berühmten Marienbildes,
vorlegen. Es sind einige Jahre her, daßich von dem
mir befreunde-
ten damaligen
Pfarrer von

Frohnhausen
(Essen - Ruhr,
West), Engel-
bert Schäfer,
eine Mutter-
gottesstatuette
zum Geschenk
erhielt,diedieser
selbst von einem
alten Mütter-
chenbekommen
hatte. Das 52 cot
hohe Bild ist
aus Lindenholz
geschnitzt und
stellt Maria mit
dem Jesuskind
auf einem Thron
sitzend dar. Das
Kind sitzt auf
dem rechten Knie der Mutter, die es mit ihrer
Rechten sorglich umfaßt. Die Füßchen hat es
gegen das linke Knie der Mutter angestemmt,
in der rechten Hand hält es einen Apfel, mit
der Linken aber langt es nach einer Birne,
welche Maria mit ihrer Linken ihm darreicht.
Bekleidet ist es mit mit einem langen, nur die
bloßen Füßchen unbedeckt lassenden Röck-
chen. Maria trägt Schuhe an den Füßen, ein
gegürtetes, engärmeliges Unterkleid, einen leicht
um die Schultern gezogenen Mantel und einen
das Gesicht in gewellten Falten umrahmenden
Kopfschleier. Als die Statuette in meine
Hände kam, war sie dick mit einem häß-
lichen Ölfarbenauftrag überstrichen. Nachdem
ich denselben entfernt hatte, zeigten sich die

Abb. 1.

Reste der schönen ursprünglichen Bemalung.
Sie war über einem dünnen Kreideüberzug,
mit dem man das Holz zuvor überdeckt hatte,
ausgeführt, und zwar waren das Unterkleid
Marias, das Röckchen des Kindes und der
Schleier weißlich gelb bemalt, der Mantel an
der Überseite blau mit einem Stich ins Grüne,
an der Unterseite in durchsichtigem Karmin-
rot über einer Silberunterlage. Alle Gewand-
stücke waren mit breiten, in Glanzgold aus-
geführten Goldsäumen verziert, von sonstigen

Ornamenten war
aufihnenjedoch
nichts zu ent-
decken, ent-
weder, weil
solche nie an-
gebracht wor-
den, oder weil
sie verschwun-
den waren.

Die Statuette
zeigte ein ausge-
sprochen spät-
romanischesGe-
präge, ein Ori-
ginal konnte sie
aber unmöglich
sein; dagegen
sprach nicht
nur manches
Unverstandene
im Detail, son-
dern überhaupt
die eigenartige Steifheit und Ungelenkheit des
Ganzen; eine Steifheit und Ungelenkheit nicht,
wie sie den naiven Schöpfungen der Primitive
eignet, sondern gutgemeinten Kopien von un-
geübter Hand. Die Statuette war offenbar
eine Kopie, jedoch, wie die polychrome Be-
handlung und das Bestreben, dem Original nach
besten Kräften gerecht zu werden, eine Kopie
aus verhältnismäßig früher Zeit, etwa dem
XVI. Jahrh. Mein Bestreben, das Original aus-
findig zu machen, blieb indessen trotz alles
Suchens fruchtlos, wiewohl ich, was nur an spät-
romanischen thronenden Madonnenstatuetten
im Westen sich erhalten hat, einer vergleichen-
den Prüfung unterzog. Schon hatte ich, des
nutzlosen Forschens müde, eine geraume Weile

Abb. 2.
 
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