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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Braun, Joseph: Eine alte Kopie des Wallfahrtsbildes zu Maria-Zell
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Witte, Fritz: Neue Hoffnungen?
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0206

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1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 10.

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dasselbe aufgegeben, als ein Zufall mich zum
ersehnten Ziele führte. Als ich nämlich eines
Tages für eine Arbeit die Mitteilungen der
K. K. Zentralkommission durchging, kam mir
darin ganz unerwartet die Abbildung eines
Muttergottesbildes unter die Augen, das mir
sehr bekannt vorkam. Ich schaute näher zu
und hatte das Original meiner Statuette end-
lich gefunden ; es ist das berühmte Gnadenbild
zu Maria-Zeil in Niederösterreich.

Ein Zweifel war nicht möglich, wie ein
Vergleich der nebenstehenden Abbildungen
dartut, von denen die eine die in meinem
Besitz befindliche Statuette, die andere den
Holzschnitt in Jahrgang 1893 S. 75 der Mit-
teilungen der K. K. Zentralkommission wieder-
gibt. Man beachte die Kopfbildung Marias,
die Haltung der beiden Arme und Hände,
die eigenartige Wellung des Kopfschleiers, den
Lauf des Mantels, die Birne in der Linken
Marias, nach welcher das Kind greift, die
Haltung des Jesuskindes, das hier wie dort
auf dem rechten Knie der Mutter sitzt, die
Füßchen gegen das linke Knie derselben an-
stemmt, in der Rechten einen Apfel hält, und
mit der Linken auch die Birne nimmt.
Manches Detail auf der Kopie ist allerdings
wenig glücklich ausgefallen, vorausgesetzt, daß
der Holzschnitt ganz getreu das Original zur
Wiedergabe bringt und nicht etwa in ver-
schönerter Form und mit einigen Verbesse-
rungen. Insbesondere ist der Oberkörper
Marias sehr ungeschickt kopiert. Allein alle
Abweichungen dieser Art sind nur von neben-

sächlicher Bedeutung, in dem Wesentlichen
und in den entscheidenden Punkten herrscht
volle Übereinstimmung. Nicht einmal der
Gürtel des Originals ist auf der Kopie ver-
gessen, nur, daß ihn der Bildschnitzer so
hoch hinaufgerückt hat, daß er zum größten
Teil von der linken Hand und dem linken
Arm Marias verdeckt wird und nur ein wenig
zwischen ihrer Hand und dem Apfel des
Kindes zum Vorschein kommt.

Wie die Statuette nach dem so fern von
Maria-Zeil gelegenen Essen gekommen ist,
kann ich nicht sagen. Vielleicht durch Ein-
wanderer aus Österreich, die, Arbeit suchend,
in die EssenerGegend zogen und das Bild als
altes Familienstück aus der Heimat mitbrachten.
Die Wege solcher Kopien von Wallfahrts-
bildein zu verfolgen, ist leider in den meisten
Fällen völlig unmöglich. Man muß oft schon
zufrieden sein, wenn man feststellen kann,
welches Original eine Nachbildung wiedergibt.

Man hat in jüngster Zeit den für die Ge-
schichte des Kunsthandwerks wie für die
KulturgeschichtesobeachtenswertenWallfahrts-
andenken eine erhöhte Aufmerksamkeit zu-
gewendet. Zu diesen Andenken gehören auch
die Nachbildungen von Gnadenbildern, von
denen jedoch bis jetzt nur weniges veröffent-
licht wurde, wiewohl dieselben sicher nicht
das unbedeutendste Kapitel aus der Ge-
schichte der Wallfahrtsandenken bilden. Eben
darum dürfen vorstehende Zeilen wohl um
so mehr auf Interesse rechnen.

Luxemburg. Jos. Braun S. J.

Neue Hoffnungen?

n Heft VI und VIII dieses Jahr-
ganges der Zeitschrift sprach ein
Berufener vom Fach ein offenes
Wort für eine Sache, die seit fünf
Jahrzehnten Sorgen- und Schmerzenskind aller
derjenigen gewesen und noch ist, denen nach
wie vor ein warmes Herz schlägt für die
christliche, speziell die religiöse Kunst. Die
Geistlichkeit an die Front! Wenn man es hat
möglich machen können, den Studierenden
der Theologie Zeit und Gelegenheit zu geben,
mit einer neuen Wissenschaft unserer Tage,
der Sozialpolitik als Studienfach sich zu be-
schäftigen, dann wird es auch zu ermöglichen
sein, für das Studium der Kunst eine einzelne

Wochenstunde freizuhalten. Nicht als fakul-
tatives Fach, dann verschwindet es in der
Versenkung und bleibt Liebhaberei der Inter-
essierten. Der geistliche Stand trägt schwer
an Verantwortungen, die ihm sein Amt auf-
erlegt, nicht die letzte und geringste ist die
für die Ausschmückung und Erhaltung seiner
Kirche. Das gibt zugleich zwei Momente:
Der Geistliche ist geborener Pfleger zeit-
genössischer Kunst, er ist geborener Konser-
vator der Kunst verflossener Jahrhunderte, die
ihm als Kostbarkeit anvertraut ist. Soll er
beiden Forderungen gerecht werden können,
zielt seine Ausbildung auch auf zwei Punkte:
Befähigung, bei Neuanschaffungen das Rechte
 
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