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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Witte, Fritz: Frühgotische kölnische Madonna der "Sammlung Schnütgen"
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0232

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337

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

338

raus, das Kokette und Gezierte ist übersetzt
in majestätische Hoheit und packend würde-
volle Haltung. Die gerade Hallung des Körpers,
die weder seitwärts
noch vor- und rück-
wärts eine Abweich-
ung erfährt, gibt der
Statue auch für die
Seitenansicht eine
seltene Geschlossen-
heit und statuarische
Ruhe, welche den
kölnischen Madon-
nen um 1400 infolge
der starken Aus-
biegung der Hüfte
verloren gegangen
sind. Diesesleile.Hal-
tung des Körpers läßt
auch eine ziemlich
sichere Rekonstruk-
tion der Arme und
des Kindes zu: Das
Kind stand auf dem
linken erhöhten Knie
der Madonna, wahr-
scheinlich mit seg-
nendem Gestus dem
Beschauer zugewen-
det, die Rechte der
Madonna hielt, • ge-
radaus gerichtet, den
Apfel. Die später
beliebte Beziehung
zwischen Mutter und
Kind bestand noch
nicht, die romani-
sche Auffassung gab
die ikonographischen
Richtlinien. So er-
innert der Kopf auf
dem zylinderischen
Hals noch an die
in der „Sammlung
Schnütgen" befind-
lichen sitzenden Ma-
donnen des XIII.
Jahrh.(Zeitschr.l908,
Heft 10). Besondere Beachtung verdient die
vom Herausgeber der Zeitschrift dem Dom
in Köln geschenkte und Jahrg. 1908, Heft 12
veröffentlichte Madonna, die in der Auffassung
der unsrigen am nächsten steht, ein Stück

Abb. 2

von selten guter Erhaltung wie höchstem
künstlerischem Werte, nochmals wiedergegeben
Abb. 2. Sie kommt neben einer, auch aus
ander enGründen her-
anzuziehenden Elfen-
beinmadonna |im
Hamburgischen Mu-
seum für Kunst und
Gewerbe in erster
Linie in Frage, wollen
wir uns den ursprüng-
lichen Zustand der
hier veröffentlichten
Figur vorführen s),
Ihnen verwandt ist
unsere Figur nament-
lich noch in der
Haartracht: leichtge-
scheitelt legt es sich
zumHalsehin in etwas
dürren Strähnen eng
an den Körper, das
auf den Ohren
ruhende Nebenlöck-
chen, das bei den
entwickelten Statuen
unter dem Haare
herliegt, das vor
allem bei den zahl-
reichen Reliquien-
büsten auftritt (St.
Kunibert, Ursula,
Sammlung Schnüt-
gen, Marienstatter
Altar usf.), fehlt noch,
an seiner Stelle sind
die Ohren ziemlich
stark ausgeprägt.
Durchweg sind die
Reliquienbüsten ty-
pisch durch den
breiten Mund mit
auffällig schmaler
Oberlippe, durch sehr
fleischig behandelte
Wangen und Kinn
mit Unterkinn und
regelmäßig wieder-
kehrendes Wangengrübchen. Alles das fehlt
unserer Madonna, ist, besser gesagt, alles ganz

') Vergl. A. Goldschmidt, »Drei Elfenbein-
madonnen« in „das Hamburgische Museum für Kunst
und Gewerbe", (Hamburg 1902), S. 277 ff.


 
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