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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Witte, Fritz: Frühgotische kölnische Madonna der "Sammlung Schnütgen"
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0233

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339

1910.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

340

anders gegeben bei ihr, viel selbstverständ-
licher, abseits vom Kanon, vom Schema. Trotz-
dem steckt der spätere Kölner Typus ganz aus-
gesprochen in dem Kopfe, der Drache zu Füßen
der Madonna erinnert an die Schnitzereien
am Chorgestühl des Domes. Ein französisches
Vorbild ist unverkennbar, was den Autbau der
Gruppenfigur angeht, ich erinnere an die von
Lübbecke (S. 61) herangezogene französische
Figur im Wallraf-Richartz-Museum zu Köln,
an die 'Elfenbeinmadonna in der Sammlung
Oppenheim sowie
an die in Avignon4).
Geht nichtwohl
auch die Polychro-
mie der Figur auf
Elfenbein vorlagen
zurück? Sie ist denk-
bar einfach: Das
Untergewand auf
schwerem Kreide-
polyment glanz-
vergol det, d er Man-
tel stahlblau-grün
in ziemlich dunklen
Tönen, die win-
zigen Partien des
Mantelumschlages
in einer graugelben
Elfenbeinfarbe mit
einem großen tonig
gehaltenen Stern
mit vier geschweif-
ten Strahlen. Den
Saum des Mantels
begleitet ein leich-
tes, in Gold auf-
gesetzes Muster aus . langgezogenen Recht-
ecken mit Blattornamenten, die noch an die
spätromanische Stilform erinnern. Ich verweise
hierbei wiederum auf die bereits genannte
Elfenbeinmadonna aus der Sammlung Oppen-
heim und auf die aus der S. Chapelle stam-
mende im Cluny-Museum. Nicht ohne Be-
deutung erscheint mir auch der schwache
Rest einer Randmusterung auf der ovalen
Rückenlehne des Thrones, wo wiederum die
geschwungenen Sterne in großem Format auf-
treten, in deren Strahlenbuchten gestielte Rund-

Abb. 3

*) Vergl. E. Molinier, »Ivoires«, S. 187.

bogen sich einfügen. Die Blindfenster an den
Wangen des Gestühles mit einem strengen
Dreipaß und fast runden Teilspitzen haben
glutrote Bemalung erfahren in Karminlack auf
Metallgrund, die Stäbe sind mit helleren
Farben aufgehöht. Die Haare der Madonna
sind in braungelb auf Gold lasiert.

Das Hamburgische Museum für Kunst und
Gewerbe besitzt eine Elfenbeinmadonna aus
dem ersten Viertel des XIII, Jahrh,5), die in
der Auffassung von unserer nur wenig ab-
weicht. Auch sie
gibt den in der ro-
manischen Epoche
beliebten Gedan-
Ken wieder: etcon-
culcabis (sc. Maria)
leonem et dra-
conem;' der linke
erhobene Fuß tritt
den Löwen, der
rechte den flach
am Boden liegen-
den Drachen. Auch
sie schaut in ver-
haltenem Lächeln
mit streng gehobe-
nem Haupte gerad-
ausund scheint mir
überhauptimTypus
der nicht abzu-
weisende Aus-
gangspunkt für die
Fortentwicklungdes
sitzenden Madon-
nenideales zu sein.
Zwischen diese und
die von Schnütgen Jahrgang 1908, Heft 12 ver-
veröffentlichten möchte ich die neuerworbene
Figur stilistisch setzen, wobei ich die dritte der
letztgenannten Madonnen als fremdländisch
nach wie vor bei der Altersbestimmung aus-
schalte, wenngleich bei ihr dasselbe französische
Elfenbeinvorbild Pate gestanden hat. Die An-
nahme, daß die Figur im ersten Viertel des
XIV. Jahrh., etwa 1320 entstanden ist, scheint
mir genügend begründet zu sein.

Köln. Fritz Witte.

5) Brinkmann, J. „Führer", II. 721 Abb.,
„Collection Spitzer" I, Ivoires, PI. IX, 37, p. 41.
 
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