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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Waal, Anton de: Der Wandtabernakel und die eucharistische Pyxis in San Damiano bei Assisi
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0234

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341

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. y\.

342

Der Wandtabernakel und die eucharistische Pyxis in San Damiano bei Assisi.

(Mit 2 Abbildungen.)
ie ältesten Bilder der hl. Clara, die

IBjfol rund hundert Jahre nach ihrem
GKPJ! Tode (1253) in ihrer Grabkirche
l ggy zu Assisi gemalt worden sind, stellen

sie neben ihrer Schwester, der hl. Agnes dar,
beide mit einer Lilie in der Hand; um sie
zu unterscheiden, sind die Namen hinzugefügt
worden. Die spätere Kunst hat der hl. Clara
die Monstranz in die Hand gegeben, auf
Grund der Rettung ihres Klosters von San
Damiano beim Überfall der Sarazenen. Da-
durch ist Clara zur besonderen Heiligen der
Eucharistie geworden. Nun ist ja freilich die
Monstranz in der Hand unserer Heiligen ein
Anachronismus, da man damals noch kein
Ostensorium (von ostendere), keine
Monstranz (von monstrare), keine Aus-
setzung des Hochwürdigsten Gutes kannte;
allein man mag das durchgehen lassen, da
heute das Altarssakrament am verständlichsten
durch die Monstranz angedeutet wird. Aber
eben durch jene Rettung ihres Klosters durch
das den Sarazenen entgegengetragene Sakra-
ment hat Clara jener großen Entfaltung des
eucharistischen Kultes vorgearbeitet, die mit
der Einführung des Fronleichnamsfestes für
die ganze Kirche durch Urban IV. 1264, elf
Jahre nach ihrem Tode, anhebt und ihren
monumentalen Ausdruck findet in dem Bau
des Domes von Orvieto 1290 auf Grund des
Wunders von Bolsena.

Im Nachfolgenden sollen nun zwei Gegen-
stände besprochen werden, die bisher von
der Kunstgeschichte wie von den Liturgikern
kaum beachtet worden sind, die aber in
engstem Zusammenhange mit Clara und ihrer
Andacht zum Altarssakramente stehen.

In der, zwei' Jahre nach ihrem Tode auf
päpstliche Weisung verfaßten Biographie wird
die Rettung des Klosters also beschrieben.
„Im Kampfe gegen Papst Innocenz IV. (1243
bis 1254) hatte der deutsche Kaiser Frie-
drich IL die Sarazenen zu Hilfe gerufen, deren
Horden nun wie Bienenschwärme die Um-
gebung von Spoleto weit und breit überfielen,
alt und jung niedermachten, Weiler und
Dörfer in Brand steckten und alles mit
Schrecken erfüllten. Bei dem unerwarteten
Überfall derselben fand Clara keine Zeit, sich
mit ihren geistigen Töchtern den Berg hinauf

in das befestigte Assisi zu flüchten; ehe man
sich's versah, waren die Sarazenen schon vor
dem Kloster. Voll Angst flüchteten die Or-
densfrauen zu ihrer Mutter, die krank dar-
niederlag. Clara ließ sich auf ihrem Lager
an die Klosterpforte, angesichts der Feinde,
tragen, zugleich mit dem das hl. Sakrament
bewahrenden Gefäße. „Ist es dein Wille,
mein Herr", so flehte sie, „daß deine wehr-
losen Dienerinnen, die ich mit deiner Liebe
genährt habe, den Heiden in die Hände fallen
sollen? Beschirme, o Herr, ich bitte dich,
diese deine Dienerinnen, die ich jetzt selber
nicht zu schützen imstande bin." Da klang
aus dem Sakramentgefäß wie mit Kinder-
stimme das Wort, das alle vernahmen, „Ich
werde euch immerdar beschützen." Und
siehe, alsbald erfaßt Schrecken die rasenden
Hunde, und, vertrieben durch das Gebet der
Heiligen, eilen sie aus den Mauern hinaus,
die sie schon erstiegen hatten".

In dem Kirchlein von San Damiano um-
schließt der Altar links einen reichen Schatz
von Reliquien, darunter zunächst auch eine
große, kupfervergoldete Monstranz gotischen
Stils, angeblich ein Geschenk des Papstes
Innocenz IV. an die hl. Clara. Allein diese
Monstranz ist sicher um ein Jahrhundert jünger.

Im engen Zusammenhange aber mit der
Rettung vor den Sarazenen steht ein eben-
falls dort aufbewahrtes Ostensorium (Fig. 1).
Es ist aus Alabaster; 33 cm hoch. Über
einem runden Fuße baut sich ein gleichfalls
runder Turm auf, dessen abhebbares Kuppel-
dach (von 13cm Durchmesser) von denkleinen
Pilastern der Turmwandung getragen wird.
Zwischen den Pilastern hindurch sieht man
in das Innere des Gefäßes. Heute wird das-
selbe zur Aussetzung beim Vierzigstündigen
Gebete verwendet, angeblich weil es dasselbe
sei, das Clara den Sarazenen habe entgegen-
tragen lassen. Aber mag es schwer sein, zu
bestimmen, aus welcher Zeit dieses Ostensorium
aus Alabaster stammt, in die Zeit der hl. Clara
reicht es jedenfalls nicht hinauf.

Nun liegt aber gegenwärtig auf dem Boden
desselben eine kleine runde Elfenbeinkapsel,
auf die man, wohl erst in neuerer Zeit, eine
lunula für die expositio Sanctissimi
aufgelötet' hat (Fig. 2).
 
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