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Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

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Waal, Anton de: Der Wandtabernakel und die eucharistische Pyxis in San Damiano bei Assisi
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Braun, Joseph: Nochmals das Gewebe aus dem Sarkophag des hl. Paulinus
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https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0237

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347

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nt. 11.

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Cuppa mit der turris zu vertauschen. Die
Gotik hat dann noch rechts und links ihr
architektonisches Ornament beigefügt. Um die
hl. Hostie den Gläubigen zeigen zu können,
durchbrach man die Wandung der turris mit
Fensterchen; in der weiteren Entwickelung
wurde die turris ganz von Glas gemacht, auf
dem Boden aber die lunula für Einsetzung
der hl. Hostie hinzugefügt. Der andere, in
Italien jetzt allgemein eingeführte Typus der
Strahlenmonstranz hat sich aus der flachrunden
Dose, bussola, entwickelt, die aufrecht gleich-
falls auf einen Fuß gestellt wurde. Indem
man dann die Vorderseite der Schachtel durch
Glas ersetzte und rings den Strahlenkranz
hinzufügte, erhielt man die jetzige Sonnen-
monstranz. Die Elfenbein dose aus San Da-

miano ist also ein Beispiel für den vorwiegend
italienischen Typus; ob sich noch andere
solcher eucharistischen capsae, aus Elfenbein
oder Edelmetall, in Kirchenschätzen und Mu-
seen finden, vielleicht ohne daß man ahnt,
wozu sie ursprünglich bestimmt oder ver-
wendet worden sind, ist zu untersuchen; viel-
leicht finden sie auch in Schatzverzeichnissen
Erwähnung. Es wäre dann noch ein ver-
gleichender Blick auf den Orient zu werfen
und zu sehen, wo und wie in den verschie-
denen Kirchen dort jetzt die Eucharistie auf-
bewahrt wird, da bei dem konservativen Sinn
des Morgenlandes die Formen der liturgischen
Gefäße auf Jahrhunderte unverändert hinauf-
gehen.

Rom. Anton de "Waat.

Nochmals das Gewebe aus dem Sarkophag des hl. Paulinus.

en Ausführungen, mit denen ich in
Nr. 9, Jahrg. 1910, das dort von
mir veröffentlichte, durch seine
Fabrikmarke so wichtige, spät-
römische Gewebe aus dem Sarkophag des
hl. Paulinus zu Trier begleitete, möchte ich
noch einige weitere Bemerkungen anfügen.
Die Deutung der Marke auf Florenz als
Produktionsort des Gewebes kann ich, nach-
dem ich hier zu Rom Gelegenheit hatte, die-
selbe nochmals zu prüfen, nicht länger fest-
halten. Es hätte nämlich in diesem Falle
statt FLORENTIA wohl FLORENTINA
heißen müssen. Allerdings könnte, absolut
genommen, der Mangel des N als Schreib-
fehler erklärt werden, doch liegt auf der Hand,
daß man zu einem solchen Auskunftsmittel
erst dann seine Zuflucht nehmen darf, wenn
sich andere Deutungen nicht geben lassen.
An solchen aber fehlt es keineswegs. Es gibt
ihrer vielmehr zwei. Entweder liest man nämlich
FLORENTIA OFFICINA und dann würde
die Marke besagen „Werkstätte" des Florens
(Florentius), wobei FLORENTIA statt des kor-
rekteren FLORENTIANA stände, oder aber
FLORENTIA OFFICINATRIX und dann
lautete sie „Florentia, Werkmeisterin". Sach-
lich könnte vielleicht gegen diese zweite Er-
klärung eingewendet werden, daß im späteren
römischen Altertum das Webegeschäft von
Männern betrieben zu werden pflegte. In-

dessen ist diese Schwierigkeit nicht von Be-
lang. Denn wenn es auch vorherrschend
Männer waren, in deren Händen damals die
Weberei lag, so fehlte es doch auch nicht an
Weberinnen. Man vergleiche z. B. die ytQÖia
TQtVÖpivq des Edikts Diokletians XX, 12.
Aber auch sprachlich ist nichts gegen die
Lesung FLORENTIA OFFICINATRIX zu
erinnern, da das Wort officinatrix genügend
durch C. I. L. VI, 9715 bezeugt ist.

Für welche von beiden an sich möglichen
Deutungen man sich aber auch entscheiden
mag, als sicher darf betrachtet werden, daß
in der Marke eine abendländische Werkstätte
gemeint ist. Wir haben darum in ihr einen
vollgültigen Beweis, daß in spätrömischer Zeit
die Seidengewebe nicht bloß aus dem Orient
ins Abendland importiert wurden, sondern
daß es auch hier damals schon Fabriken ge-
musterter seidener Stoffe gegeben hat. Es
muß sogar die Produktion solcher Seiden-
zeuge bereits eine so ausgedehnte gewesen sein,
daß man sich veranlaßt sah, die fertigen Stücke
durch eine Fabrikmarke zu kennzeichnen.

DerSchriftcharakter der Marke weist auf das
späte IV. Jahrh. als Entstehungszeit hin. Die
Trierer Gewebe gehören demnach der Zeit der
Übertragung des Leibes des hl. Paulinus an,
der um das Ende eben jenes Jahrhunderts
aus dem Orient nach Trier gebracht wurde.
In den Sarkophag des Heiligen kamen die
 
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