Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 23.1910

DOI Artikel:
Endres, Joseph Anton: Der Nebenraum der St. Wolfgangskrypta zu St. Emmeram in Regensburg
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4155#0246

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
355

1910. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 12.

356

Der Nebenraum der St. Wolfgangskrypta zu St. Emmeram in Regensburg

(Mit Abbildung.)
n die Nordseite der großen fünf

schiffigen St. Wolfgangskrypta zu
j St. Emmeram in Regensburg schließt

sich, durch eine Türe verbunden,
ein Raum an, der bisher einheimischen und
auswärtigen Archäologen viel Kopfzerbrechen
verursachte. Allein so dunkel wie er selbst
blieb auch seine Bestimmung. Die Urteile
verschiedener begegneten sich in der Rätsel-
haftigkeit der Raumes. Doch niemand hat
es bisher gewagt, auch nur eine Vermutung
über seine vormalige Bestimmung auszusprechen.
Das grundgelehrte Werk von Adolph Franz,
Die kirchlichen Benediktionen im Mittelalter
(Freiburg 1909), das eine entlegene und viel-
fach vergessene Welt religiöser Übungen vor
unseren Augen Wiederaufleben läßt, scheint
mir nun i aber auch in die Nacht dieses
mittelalterlichen Kirchengelasses einen auf-
hellenden Lichtstrahl zu
werfen. • Nach der Lektüre
dieses Werkes wage ich es
wenigstens, eine Hypothese
über die Bestimmung des
rätselhaften Raumes auf-
zustellen, die ich hiermit
interessierten Altertums-
freunden zur Diskussion unterbreite.

Die westliche Partie der Abteikirche von
St. Emmeram darf als bekannt vorausgesetzt
werden. Sie umfaßt das mächtige westliche
Querschiff und den rechteckigen Dionysiuschor.
Unter ihm wölbt sich die fünfschiffige St. Wolf-
gangskrypta, die mit den zwei östlichen Jochen
in das Querschiff hineingreift. Die drei west-
lichen Joche der Krypta sind an den Seiten
und an der Westwand durch Nischen aus-
gezeichnet. In der mittleren Nische der Nord-
wand führt eine Türe in das Untergeschoß eines
turmartigen Baues, der in die Ecke zwischen
die Chorwand und die westliche Mauer des
Querschiffs gestellt ist: einen quadratischen
Raum von ungefähr 4 m im Geviert, in dem
ein kräftiger Mittelpfeiler und vier Wand-
pfeiler niedrige Kreuzgewölbe tragen. Die Pro-
filierung der Kämpfer an den Pfeilern ergeben
die Gleichzeitigkeit dieses Bauteils mit der
ganzen Westpartie der Klosterkirche, die im
Jahre 1052 als vollendet gedacht werden muß.
Drei schmale, nach Innen sich verbreiternde

Fenster erhellen den Raum, zumal da sie
außen' mit Gesträuch überwachsen sind, so
ungenügend, daß künstliches Licht zur Orien-
tierung notwendig ist. Hier gewahren wir nun
an der Ostwand eine niedrige Nische, der zu-
liebe der östliche Wandpfeiler fast bis zur
Kämpferhöhe hin ausgebrochen wurde. Die
Nische hat mit den verwandten Baugliedern
der angrenzenden Wolfgangskrypta nichts ge-
mein und scheint spätere Zutat zu sein, eigens
dazu bestimmt, den jetzt darin stehenden Stein-
trog (auf dem beigegebenen Plänchen = N) auf-
zunehmen. Derselbe mißt 0,66 m Höhe,
1,28 m Breite und 0,65 Tiefe, und ist innen
mit Blei überzogen. Hugo Graf von Walder-
dorff vermutet in dem Steintrog den „Sarkophag
eines Heiligen" und meint: „Überlegt man
denselben mit einer Steinplatte als Mensa, so
ergibt sich alsbald ein Altar" 1). Den Eindruck
einer sehr archaistischen
Altaranlage hatten auch
andere, die sich mit dem
Räume befaßten. So meint
B. Riehl: „Sehr altertümlich
ist die Altarnische der

----- unteren Kapelle, sie ist nur

etwa zwei Meter hoch und
erinnert an die Arkosolien der Katakomben;
in ihr steht ein viereckiger Steintrog"2). Untere
Kapelle nennt Riehl den Raum mit Bezug auf
die Magdalenenkapelle, einenzierlichen Nischen-
bau aus der gleichen Bauzeit (Mitte des
XL Jahrh.) im nächsten Geschosse des Turmes.
Mit ihr wird das Erdgeschoß des Turmes von
Georg Dehio in so enge Beziehung gebracht,
daß er es als die zugehörige Krypta der
Magdalenenkapelle betrachtet8). Georg Hager
spricht nur gelegentlich von einer kleinen
Nebenkrypta unter der Magdalenenkapelle,
sofern sich der Raum unmittelbar an die
Wolfgangskrypta anschließt4).

') »Regensburg in seiner Vergangenheit und Gegen-
wart«, (Regensburg 1896) 4. Aufl. S. 323.

2) »Denkmale frühmittelalterlicher Baukunst in
Bayern, bayrisch Schwaben, Franken und Pfalz«
(München und Leipzig 1888) S. 69.

8) »Handbuch der deutschen Kunstaltertümer«
(Berlin 1908) Bd. IH, S. 405.

4) Text zu Otto Auflegers „Mittelalterliche Bauten
Regensburgs" (München 1897) S. 6.
 
Annotationen