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Zeitschrift für christliche Kunst — 24.1911

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Schmarsow, August: Altenburger Galeriestudien
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https://doi.org/10.11588/diglit.4275#0153
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265

1911. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

266

Gestalt vermöchten wir uns nur für Masaccio
zu entscheiden und würden selbst Masolino
nicht mehr als älteren Vermittler anrufen
können; denn hier liegt die Grundverschieden-
heit zweier Richtungen von damals bereits
grundlegend ausgesprochen. Zweifellos gehört
der Maler der Altenburger Verkündigung zu
der Gruppe der bewußten Anhänger monu-
mentaler Wandmalerei, die das wertvolle
Erbteil der Giottoschule und das Ziel ihres
Fortschritts in der Körpergröße und der räum-
lichen Auseinandersetzung ihrer Figuren sehen,
die sich deshalb mit strengem Sinn an die
letzten Vertreter des hohen Stiles der Historie
halten, wie es z. B. in der Heilung des Lahmen

nächsten an die Fresken der Cappella Castellani
in Sta Croce, und zwar an die letzten ihrer
in sich schon recht mannigfaltigen Bestand-
teile an. Wenn wir dort in den Geschichten
der beiden Johannes, des Täufers und des
Evangelisten, noch mit Cavalcaselle einige Ver-
wandtschaft zu Agnolo Gaddi erkennen, wenn
auch im einzelnen schon in nachweisbarer Ab-
wandlung zu neuem Streben über sein anein-
ander reihendes Erzählen hinaus, so gehören
doch die Legenden des hl. Antonius und des
Nikolaus von Bari schon unleugbar in die Schule
des Antonio Veneziano, dessen Eigenart in der
Komposition der Szenen parallel zur Längs-
achse für den Einblick des Betrachters in den

Florentiner Schule um i486, Altenburg, H. Museum.

an der Pforte des Tempels und der Aufer-
weckung Tabithas in der Cappella Brancacci
geschehen ist. Das ist nicht die Nachfolge
des Spinello Aretino und die Weise des Lo-
renzo Monaco in der Malerei; das gehört
auch in der Plastik nicht zu der gotischen
Tradition des Lorenzo Ghiberti, sondern zu
der wuchtig derbem Sinnesart des Niccolö
d'Arezzo und seiner Schule, aus der Donatello
als Statuenbildner erwuchs.

Den nämlichen Zusammenhang mit der
Boren tin ischen Monumentalmalerei bezeugt
auch die Madonna trotz unleugbarer Ver-
wandtschaft des weiblichen Schönheitsideales
mit der sienesischen Maestä. Wie das genannte
Doppelbild aus der Petruslegende im Carmine
zu Florenz schließt sich die Gestalt doch am

Schauplatz bereits (z. Frage nach dem Male-
rischen, S. 49) 1896 hervorgehoben wurde.
Die ausdrückliche Zuschreibung an dessen
Nachfolger Gherardo di Jacopo, genannt lo
Starnina, die Vasari mit Angabe des Bestellers
überliefert, gewinnt also volle Überzeugungs-
kraft. Nun, aus Agnolo Gaddi wächst un-
verkennbar auch die Madonna der Verkün-
digung in Altenburg heraus; aber der große
Kopf mit dem breiten Heiligenschein und
die wuchtigen, etwas summarisch behandelten
Hände bekunden wieder die Anschauungs-
weise und die Malgewohnheit eines Fresko-
malers aus der unmittelbaren Nachbarschaft
dieser Fortsetzer des großen Stils am Anfang
des XV. Jahrb., als den wir Starnina nach
den erhaltenen Resten der Nikolauslegende
 
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