Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 26.1913

DOI Heft:
Heft 9/10
DOI Artikel:
Witte, Fritz: Von unserer Paramentik einst und jetzt
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4358#0150
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
265

1913. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr-9/10.

266

daß die Damaststoffe heute weniger gepflegt
werden als die reicheren Gold- und Samt-
stoffe. Vielleicht die meisten Muster sind
heute Lyoner Provenienz, und, soweit ihre
Heimat von uns, so weit liegt ihre künst-
lerische Qualität von dem, was wir schön und
gut nennen. So unverdient ihr Ruf der Brauch-
barkeit oder gar der Schönheit ist, so vor
allem der ihrer Billigkeit. Unsere deutschen
Firmen liefern für denselben Preis bessere
Ware, füreinigeMark
mehr aber Paramen-
tenseide, mit der
die Massenware von
Lyon nicht an-
nähernd zu ver-
gleichen ist. Ob die
Abnehmer wohl alle
wissen, daß es recht
schwer ist, die Qua-
lität eines Seiden-
stoffes zu bestim-
men, daß der Kauf
derselben also auch
nicht zuletzt aus Ver-
trauen zum Händ-
ler zu geschehen
hat ? Wer gibt uns
die Gewähr, daß
nicht auch Para-
mente aus „Kunst-
seide" in die Sakri-
steien geschmuggelt
werden ? Alle fünf
Jahre etwa erschei-
nen bei uns die Ver-
treter französischer
Firmen und über-
schwemmen das
Land in hastiger Eile mit einer Sorte
Goldgewebe, deren Qualität ganz beispiellos
schlecht ist, deren flitterartige brillierende
Wirkung aber immer wieder die unwissen-
den Käufer betört. Die Leidtragenden
zählen leider nach Hunderten, die heute
sich den Kopf zerbrechen, was sie mit dem
„billigen" Goldstoff anfangen sollen, über
dessen Brauchbarkeit ihnen zu spät die Augen
aufgingen. Die Reisenden zerren und knaut-
schen den Stoff vor den Augen der Käufer,
um diesen von der vermeintlichen Solidität
des Materials zu überzeugen. Man gebe doch
auf solche Manipulationen nichts, auch der

Abb. 5a. Bruststück-Stickerei einer Albe des XIII. Jahrh. auf
Byssus. Sammlung Schnütgen, Köln. Anpassung der Zeich-
nung an die Struktur der Stoffes.

schlechteste Stoff verträgt derartige kleine,
nur scheinbare Mißhandlungen. Entweder
überzeuge man sich in vorsichtigem Ab-
wägen und Untersuchen, oder unter Inan-
spruchnahme eines Sachverständigen, oder
man knüpfe nur mit solchen Geschäften Be-
ziehungen an, deren Ruf und Ansehen sichere
Gewähr leisten. Schon die Qualität hebt das
Material für Paramente über das Niveau
eines Modestoffes, indem sie eine große Halt-
barkeit und darum
von selbst auch in
den meisten Fällen
eine lange Lebens-
dauer gewährleistet.
Auch für die Art
und für das Aus-
sehen des Grund-
stoffes bieten sich
daraus Anhalts-
punkte. Wählen wir
eine Musterung, die
ganz und gar von
heute ist, von der
wir wissen, daß sie
so gut wie ihre vielen
Vorgängerinnen im
nächsten Jahre wie-
der abgelöst werden
wird, so machen wir
auch das kirchliche
Gewand in gewis-
sem Sinne zu einem
Modeartikel, und das
widerspricht seiner
Würde. Als Aus-
gangspunkt für die
i formale Gestaltung
wird in der kirch-
lichen Webekunst einmal stets der Gedanke
an die Aufgaben, denen die Kasel, die Stola
usw. dienen müssen, maßgebend sein, dann
ergeben sich fernerhin auch eine Menge Mo-
tive, die dem Dekor inneren Gehalt geben
und ihn aus dem Gefolge sonstigen Stoff-
schmuckes herausheben. In welcher Richtung
die Verarbeitung der Schmuckmotive sich
bewegen muß, erweisen uns aufs klarste die
Stoffe des Mittelalters. Bis ins XVIII. Jahrh.
hinein hält sich die Weberei fern von
jenen Musterungen, die fast ohne stilistische
Verarbeitung Motive aus der Natur, wie bei-
spielsweise Blumen, als Dekor auf den far-


 
Annotationen