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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Beitz, Egid: Eine kölnische Standmadonna aus der zweiten Hälfte des XIV. Jahrh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0046
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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 3

Muttergottesbild, „als hätte es gelebt". Daß seiner Kunst die volle Erfassung der
Naturwahrheit ebensowenig gelang wie dem „besten Maler in deutschen Landen",
lag daran, daß beide noch zu sehr in idealistischer Anschauung wurzelten. Das
XIV. Jahrh. war für die Kölner Gotik die Kampfperiode um eine idealistische oder eine
naturalistische Kunstanschauung. Um 1380 entscheidet sich dieser Kampf immer
klarer zugunsten des Naturalismus, der Natur Wahrheit. So ist die Friesentor-
madonna ein Ende und ein Anfang. Sie ist das bedeutsame Denkmal des Kampfes
zweier künstlerischen Weltanschauungen; und in der glücklichen Art, wie sie den
Idealismus vergangener Zeiten mit dem Naturalismus einer neuen Epoche in sich
vereinigt, ist sie ein Höhepunkt gotischer Kunst.

Interessant ist ein Vergleich dieser Großplastik mit zwei Werken der Kölner
Kleinplastik: einer Madonna aus der Sammlung Clemens und einer andern aus der
Sammlung Dr. L. Seligmann zu Köln (Abb. 1). Die Gegenüberstellung erfolgt be-
züglich der ersten von Witte im nächsten Heft. Das Kind droht bei diesem Stück,
trotz aller Strenge, die in der Mutter noch zum Ausdruck kommt, durch sein munteres
Vordrängen und das Spiel mit dem Schleiei2 d le Mutter um ihre Reputation zu bringen,
während in der Friesentormadonna, als dem großen öffentlichen Kultbild, die feier-
liche Weihestimmung auch in der ruhigen Haltung des Kindes vollkommen gewahrt
bleibt. Ganz kann aber auch ihr Meister ohne den zu seiner Zeit so beliebten genre-
haften Zug nicht auskommen. Er drängt ihn allerdings völlig zurück und verlegt ihn
allein in die linke Hand des Kindes, die den Vogel kräftig am Halse gefaßt hält, so-
daß er sich sprattelnd mühen muß, in eine weniger lebensgefährliche Lage zu kommen.

Bei dem Madönnchen der Sammlung Seligmann (31 cm hoch) tritt das Spiel des
Kindes mit einem Vogel wieder stärker in den Vordergrund, die Mutter neigt sich dort
zum Kinde hin und nimmt Anteil an seinem Spiel. Das Stück ist der Friesentor-
madonna nahe verwandt. Dies tut ein Vergleich der Abbildungen ohne weiteres dar.
Beim Kopf und in der Haarbehandlung des Jesuskindes, in der Gewandbehandlung
und besonders in der Gewandanordnung an dem untern Teile beider Figuren geht
die Verwandtschaft bis in Einzelheiten hinein. Nur ist bei dem Sehgmannschen
Madönnchen alles noch quellender und dem Leben näher gekommen Das Werk-
chen ist offenbar eine Weiterbildung des hier besprochenen Typs über die Zeit des
sogenannten Meister Wilhelms hinaus. Es führt schon auf den Weg zu einem Weik
im Wallraf-Richartz-Museum aus dem XV. Jahrh. (Abb. 2), das die Anmut der
Lochnerzeit aufweist und, worauf Poppelreuter bereits hingewiesen hat3, mit der
kölnischen Malerei aus der ersten Hälfte des XV. Jahrh. nahe verwandt ist. Diese
Madonna ist insofern auch eine rechte Vertreterin ihres Jahrhunderts, als sie zweifel-
los der Rest einer mehrfigurigen Plastik sein wird. Kennt das XIV. Jahrh., aufbau-
end auf der romanischen Periode, vor allem die Sitzmadonna, oder, dem gotischen
Geiste gemäßer, die mit der Architektur aufragende Standmadonna, die sich beide
in weltferner Einsamkeit genug sind, so nimmt das XV. Jahrh. seiner Muttergottes
die unnahbare Einsamkeit immer mehr durch die Chöre der Engel auf blumiger
Au, im Rosenhag, bei den Sippedarstellungen und in der Anbetung der Dreikönige.
Die Plastik folgt auch hier der Malerei oder sie geht wie auf dem 1429 gestifteten
Pallantschen Altar4 harmonisch mit ihr zusammen. Dr. Egid Beitz, Bensberg.

2 Französicshes Motiv, z. B. auf Elfenbeinplatte des Kölner Kunstgewerbemuseums.

3 Jubiläumsschrift des Wallraf-Richartz-Museums 1911, S. 118 f.

4 Siehe Abbildungen „Zeitschrift für christliche Kunst", VI. Jahrgang, Tafel 1—3.


 
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