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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Witte, Fritz: Ein ernstes Wort über das Restaurieren
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0068
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Nr. 4

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

57

EIN ERNSTES WORT ÜBER DAS
RESTAURIEREN.

Die letzten Wochen brachten mir reichlich Gelegenheit, in die ver-
borgensten Winkel von Kirchen und Pfarrhäusern zu blicken, hundert
und tausend Gegenstände von hohem und minderem Wert in die
Hand zu nehmen und auf ihren Zustand zu prüfen. Eines ist mir dabei
klar geworden: es bricht für sehr viele Kunstgegenstände in kirchlichem
Besitze eine gefährliche Zeit an. Sechs Jahre haben die Kirchengemeinden
zurückgehalten mit Neuanschaffungen, und nun sehen sie nach Beendigung
des Krieges, daß die Preise, anstatt sich zu senken, ständig in die Höhe
gehen. Die selbstverständliche Folge wird die sein, daß selbst die ältesten,
seit Jahrzehnten ausgeschiedenen Gebrauchsgegenstände wieder hervorgeholt
und durch „Restaurieren" wieder in einen gebrauchsfähigen Zustand ver-
setzt werden.

Besonders die alten Paramente müssen herhalten. Wer heute die Para-
mentenkammern besichtigt, erlebt ein Trauerspiel nach dem anderen. Wert-
volle Kasein des XV., XVI. und XVII. Jahrh., die ihre köstlichen Formen
und Farben verhältnismäßig gut zu uns hinübergerettet haben, werden heute
Paramentengeschäften, Klöstern und Heimstickerinnen übergeben zur Aus-
und Aufbesserung. Es wäre heute schon möglich, eine geschlossene Aus-
stellung von verdorbenen Paramenten zu veranstalten, die uns ein er-
schreckendes Bild von der Verwüstung geben würde, die durch das Restau-
rieren hervorgerufen wurde. Obenan an Leistung stehen hier eine Reihe
größerer Firmen, die - man muß das sagen - einzig aus Geldgier sich an
den Köstlichkeiten der vergangenen Jahrhunderte mit einer geradezu brutalen
Rücksichtslosigkeit vergreifen. Wir stellen hier den Satz auf: Ein Paramenten-
geschäft, das in solcher Brutalität und Gefühllosigkeit an unseren wertvollen
Schätzen sich vergreift, muß von vorneherein behördlicherseits lahmgelegt
werden. Hier an dieser Stelle werden wir in Zukunft nicht anstehen, die
Namen der Firmen öffentlich an den Pranger zu stellen und vor ihnen zu
warnen, die fürderhin, sei es aus Unkenntnis, sei es um Geld zu verdienen,
kostbare Meßgewänder unter die Kurbelmaschine zwingen und übersticken.

Auch die Frauenklöster sollten rücksichtsvoller an die Dinge herantreten;
sie sollten in diesem Falle das gute Beispiel geben und nur nach sorg-
fältigster Beurteilung des Zustandes und des künstlerischen und kunst-
historischen Wertes der Dinge an eine Restaurierung der Kasein usf. heran-
treten.

In keinem Falle darf die Restauration über eine Erhaltung und Festigung
des Beschädigten hinausgehen; Ergänzungen sind fast immer vom Übel und
treffen nie das Richtige. Wir sind eben nicht imstande, den Alten so weit
nachzufühlen, daß wir subtilere Äußerungen ihres Kunstwillens mit der
nötigen Auffassung ergänzen könnten. So sollte man niemals an ein Uber-
sticken der oft so liebevoll behandelten Figurenköpfchen gehen, wir erfassen
den Geist der Alten doch niemals so, daß unsere Arbeit nicht eine Störung
des gut Erhaltenen bedeuten würde.
 
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