Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

DOI article:
Witte, Fritz: Ein ernstes Wort über das Restaurieren
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0069

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
58

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 4

Paramente, welche so schadhaft geworden sind, daß eine Sicherung des
Vorhandenen durch Festheften lockerer Fäden usf. nicht genügt, um sie
wieder in Gebrauch zu nehmen, sollte man vom Kirchendienste ausschließen.
Sind die Stickereien einmal so schadhaft geworden, ist der Verfall bei
ständigem Gebrauch nicht hintanzuhalten und jede Benutzung kann uner-
setzliche Werte zerstören.

Wir gestehen zu: ausrangierte Kunstgegenstände gehen in den Kirchen
sehr oft neuen Gefahren entgegen: Sie fallen in die Hände der Händler,
oder sie wandern in den Abfallkorb, oder, was ebenso gefährlich ist, sie
kommen bestenfalls ins Pfarrhaus des vielleicht interessierten Geistlichen.
Hier werden sie Freunden und Bekannten mit berechtigtem Stolz gezeigt.
Das wäre an sich recht gut und ungefährlich, wenn nicht schließlich auch
der Pfarrer sterben müßte. Wer will nach seinem Tode noch beweisen,
daß das fragliche Kunstwerk — nicht nur Paramente sind hier gemeint -
Eigentum der Kirche ist? So kommt's, daß mancher Kirchenbesitz infolge
unberechtigter Vererbung verschleppt und verkauft wird. An jeden im Pfarr-
haus aufbewahrten Gegenstand aus der Kirche gehört eine untrügliche Be-
zeichnung: „Eigentum der Kirche."

Im allgemeinen darf man wohl dieses sagen: Unbrauchbar gewordene
Gegenstände gehören nicht in die Fabrik der restaurierenden Firmen, sondern
dorthin, wo sie der Wissenschaft und der Ehre der Kirche weiter zu dienen
vermögen, in die Museen. Dort werden sie mit größter Sorgfalt gehegt
und gepflegt und zumeist noch Jahrhunderte überdauern.

Wir wollen nicht abstreiten, daß es von Zeit zu Zeit notwendig werden
kann, alte Gewänder durch sachgemäße Behandlung wieder in einen ge-
brauchsfähigen Zustand zu versetzen, wenn sie eben zum Gebrauche uner-
läßlich benötigt werden und neue nicht zu beschaffen sind. In solchen
Fällen setze man sich dennoch vorerst mit der Behörde in Verbindung, ob
die Diözesanmuseen nicht den Preis neuer Paramente zu ersetzen vermögen,
oder ob sonst kein Ausweg zu finden ist. Auf jeden Fall höre man aber
den sachkundigen Rat eines Fachmannes, ob und wie eine Restaurierung
zu bewirken ist.

Ist es schon erstaunlich genug, daß es Firmen gibt, die gewissenlos
kostbare Kirchenschätze verderben, um wieviel mehr muß man staunen, daß
es auch solche gibt, die durch oder bei diesen Restaurierungsarbeiten regel-
rechten Betrug treiben! Im Rheinlande — ob auch anderswo ist mir un-
bekannt - findet man ab und zu in den Kirchen Kelche des XV., XVI.
und XVII. Jahrh., die auf ihrem Fußrande breitspurig den eingeprägten
Namen eines heute lebenden Goldschmiedes führen! Diese Erscheinung
ist so ungeheuerlich, daß man ungläubig den Kopf schütteln würde, falls
man nicht selbst solche Unglaubhchkeiten zu Gesicht bekommen hätte.
Man denke sich: da wird die alte Feuervergoldung eines reichen gotischen
Kelches schadhaft; ein Goldschmied übernimmt die galvanische Neu-
vergoldung und hat die Stirn, nachher seine Firma mit Angabe des Ortes
und sogar der Straße und Hausnummer in das Metall einzuschlagen. Welche
Verwirrung kann dadurch in späteren Jahrzehnten und Jahrhunderten wach-
gerufen werden, welche Uberhebung liegt darin, für die billige mechanische
 
Annotationen