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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Hölker, Karl: Das Altarwerk der "Goldenen Tafel" aus der Michaeliskirche in Lüneburg
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Mötefindt, Hugo: Zum Christusporträt
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0171

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 11/12

obwalten müssen. Die beiden Darstellungen auf den Außenflügeln, die eherne
Schlange und die Kreuzigung, zeigen vor allen ein solch zartes Empfinden, eine
so innige Beseelung und einen solch geläuterten Geschmack, wie wir sie außer
bei Konrad von Soest sonst in der ganzen norddeutschen Malerei der Zeit nicht
mehr wiederfinden. Ich stehe darum nicht an, gerade diese Darstellungen
als eigenhändige Arbeiten des großen westfälischen Meisters anzusprechen.
Wir haben, wie oben erwähnt, allerdings anzunehmen, daß das ganze Altar-
werk in Lübeck entstanden ist. Der ganze Aufbau und die Plastiken weisen
zu deutlich auf diesen Entstehungsort hin. Demgemäß müßte Meister Konrad
zeitweise in Lübeck tätig gewesen sein oder dortselbst eine Werkstatt unter-
halten haben. Gegen diese Annahme läßt sich schwer etwas Stichhaltiges ins
Feld führen. Konrad von Soest hat wahrscheinlich zunächst in Dortmund
seinen Wohnsitz gehabt, wie wir auch gerade in Dortmund seine vollendetsten
Arbeiten finden, nämlich die Altargemälde in der dortigen Marienkirche. Aber
zwischen den westfälischen Hansastädten Soest und Dortmund einerseits und
Lübeck andererseits bestanden damals die engsten wirtschaftlichen und kom-
merziellen Beziehungen. Lübeck verdankte Soest sein Stadtrecht, und viele
seiner rührigsten Bürger waren Westfalen. Der Weg der hanseatischen Kauf-
leute ging von Westfalen über Lüneburg vornehmlich zu dem großen Emponum
an der Ostsee. Da ist es nicht zu verwundern, daß der große westfälische
Meister seine Tätigkeit wenigstens zeitweilig nach der reichen Handels- und
Kunststadt Lübeck verlegte. Bei dieser Annahme erklärt sich auch leicht
der gewaltige Einfluß und die gewaltige Nachwirkung, welche die Kunst
Konrads wie in der ganzen Malerei Norddeutschlands, so speziell im Lübecker
Kreise, ausgeübt hat. Das berühmte Altarwerk der Goldenen Tafel, zu Lübeck
in der Werkstatt Konrads entstanden, mag dazu nicht am wenigsten bei-
getragen haben. Karl Hölker.

ZUM CHRISTUSPORTRÄT.

Die Geschichte des Christusbildes in der Kunst läßt nach den Unter-
suchungen der Archäologen und Kunsthistoriker zwei große nebenein-
anderher laufende Typenreihen durch Jahrhunderte hindurch verfolgen.
Die eine dieser Typenreihen gibt das Chnstusbild ständig bartlos wieder, die
andere dagegen zeigt es regelmäßig im Schmuck eines Vollbartes. Neben diesen
beiden Haupttypenreihen steht jedoch noch eine dritte, weit kleinere, die deshalb
noch niemand zusammenfassend gewürdigt hat. Diese dritte Reihe zeigt uns das
Chnstusbild ständig in der Barttracht der Fräse. Das Vorkommen dieser eigen-
artigen Barttracht, die aus Backen- und Kinnbart, dazu jedoch keinen Schnurr-
bart, sondern eine glattrasierte Oberlippe, besteht, am Christusbilde verdient
auch von selten der Kunstgeschichtsforschung ein besonderes Interesse. Wilpert
hatte zunächst, als ihm nur zwei altchristliche Mosaike mit dieser Tracht bekannt
waren, an eine Künstlerlaune gedacht1. Sobald dazu jedoch drei frühmittel-
alterliche Darstellungen traten, schrieb er: „Zweifelsohne sind verwandte Dar-

1 Wilpert: Die römischen Mosaiken und Malereien der kirchlichen Bauten vom
IV. bis XIII. Jahrh. Freiburg i. Br. 1916. II., S.921.
 
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