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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Beitz, Egid: Grünewalds Golgatha
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Witte, Fritz: Miniaturen zum Psalter von Müller-Ewald
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0143

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130

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr. 9/10

Abb. 5.

Grunewald, AsdSaffenburger Beweinung.

und bei der Isenheimer Beweinung verhüllt das Kopftuch den größten Teil ihres
Gesichtes, so daß ihre Augen überhaupt nicht sichtbar werden und der Haupt-
ausdruck des Schmerzes bereits in den schmerzvoll gefalteten Händen liegt. Von
hier zu der Aschaffenburger Auffassung, wo allein noch die bleichen Hände mit
dem harten Winkel am rechten Unterarm und die jäh abbrechenden Linien des
Mantels den unsagbaren Mutterschmerz schildern, war für einen Meister von der
Ausdruckskraft Grünewalds nicht mehr weit.

Bensberg. E g i d B e i t z.

MINIATUREN
ZUM PSALTER VON MÜLLER=EWALD.

(Mit 1 Abbildung.)

„Aus der Tiefe rufe ich, Herr, zu Dir.

Herr, höre meine Stimme, laß Deine Ohren merken

auf die Stimme meines Flehens!"

E s ist gewiß keine vorüberziehende Erscheinung der Mode oder Mache,
1 wenn heute, nachdem der Würger Krieg Millionen Menschenleiber
J und aber Millionen Menschenherzen zerstampft und zerwühlt hat,
Parallelen sich nahelegen und gezogen werden zwischen einst und jetzt.
Nun alle menschliche Kunst und Hilfe versagt, nun die Wasser der stei-
genden Not den Atem versperren wollen, nun gehen von innen heraus die
Augen über die dem Menschen- und Erdentume gesteckten Grenzpfähle
hinaus in die Reiche, die hinter, die jenseits der Erscheinungswelt liegen,
wo die ewige Urkraft der Gottheit unwandelbar lebt und webt und des
Weltenalls Zügel trotz allem in der Allmachtshand hält. Dort allein weiß
man Gerechtigkeit, Friede, Liebe, Hilfe. ,,Aus der Tiefe rufe ich, Herr,
zu Dir." Es ist, als ob Davids Psalmodie ein neues Lied bedeute, geschrieben
für uns, für alle, die das Joch des Heute tragen; und deswegen greifen
heute so gern diejenigen nach dem köstlichen Schatz, die kraft einer tieferen
Veranlagung alles Dasein ausmünden sehen im Zeitlosen, Ewigen, denen
das ewig Gültige, nicht das Zufällige und Vorübergehende, allein wertvoll
ist. Daß diese Sänge aus dem Bereiche der historischen Zufälligkeiten heraus
ins Kosmische zu setzen sind, das erweist schon die Tatsache, daß unsere
ernsteren Künstler seit Jahrtausenden immer wieder erneut die Kongruenz
finden zwischen dem Einstmals und ihrer Zeit, daß sie den tieferen Gehalt,
 
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