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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Günther, D.: Die vier allegorischen Figuren am Südportal des Wormser Doms
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0010

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Nr. 1/2 ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

1

DIE VIER ALLEGORISCHEN FIGUREN
AM SÜDPORTAL DES WORMSER DOMS

(Mit 2 Abbildungen.)

Jeder, der sich schon mit dem interessanten Südportal am Wormser Dom
I beschäftigt hat, wird sich der tüchtigen Bearbeitung freuen, die die Geschichte
I der dortigen Plastik durch Otto Schmitt1 erfahren hat. Seine Ergebnisse
/ werden, soweit sie nicht hypothetischer Natur sind, Bestand haben: Ent-
stehungszeit des Portals das ausgehende XIII. und frühe XIV. Jahrh., dreierlei
Hände, der Urheber des Ganzen, der Archivoltenmeister, eine Übergangs-
erscheinung vom körperlichen Stil des XIII. zum Gewandstil des XIV. Jahrh.,
der Gewändemeister, von dem je drei Statuen der Propheten und Evan-
gelisten herrühren und dem auch die vielgenannten vier allegorischen Figuren
nahestehen, bei denen die Entwicklung trotz dramatischen Ausdrucks der Köpfe
schon zur Erstarrung des Körpers führt, der MeisterdesEvangelisten
Johannes, mit dessen Richtung die Plastik des Westportals der Liebfrauen-
kirche in Zusammenhang gebracht wird, ein Vertreter der ersten Stufe des ge-
schwungenen Stils, — eingehende stilistische Charakteristik, wie man sieht, in
Pinders Spuren. Man könnte diese Arbeit als erschöpfend bezeichnen, wenn der
Verfasser mit gleicher Gründlichkeit seiner letzten Aufgabe, der ikonographischen,
nachgegangen wäre und sich nicht begnügt hätte, die Aufstellungen seiner Vor-
gänger zusammenzufassen. Und doch hätte es sich der Mühe verlohnt, dem ikono-
graphischen Rätsel der vier allegorischen Figuren, das seit bald vier Jahrhunderten
immer neue Erklärer auf den Plan gerufen hat, noch einmal nachzugehen.

Ehe wir dies unternehmen, müssen wir auf die ikonographischen Gedanken und
Zusammenhänge dieser Portalplastik einen Blick werfen. Auf diesem Wege sind
wir dank der Aufhellungen des Verfassers davor bewahrt, daß wir in den Fehler
älterer ikonographischer Untersuchungen verfallen, die, ohne die Stilgeschichte zu
befragen, ein gegebenes ikonographisches System von vornherein als aus einheit-
lichem Plan entstanden begreifen wollten. Em Doppeltes tritt uns als bezeichnend
für die Ikonographie unseres Südportals entgegen: der eklektische Charakter,
der schon durch die beschränkten Raumverhältnisse des gotischen Einbaus in den
romanischen Dom bedingt ist, und dabei doch die Subtilität und verhältnis-
mäßigeSelbständigkeitderAuswahl. Ist die Abkunft der Archi-
voltenkunst von Straßburg stilistisch erwiesen, so ist auch inhaltlich das Wormser
Programm ein Auszug aus dem Straßburger, das dort allerdings über die drei
Westportale des Münsters verteilt ist. Hier wie dort umfaßt es die Heilsgeschichte
von der Erschaffung der Welt bis zum Jüngsten Gericht, zu Worms in sinn-
gemäßer Verkürzung. Von den Propheten und Aposteln konnten nur je vier Ver-
treter aufgenommen werden. Dabei findet sich in Worms doch eine Besonderheit
wie die ganz vereinzelte Darstellung der Vision des Ezechiel (Kap. 37). Und in der

1 Das Südportal des Wormser Domes. Ein Beitrag zur Geschichte der rheinischen Plastik
im ausgehenden XIII. und frühen XIV. Jahrh. Diss., Mainz 1918. Hofdruckerei Philipp von
Zabern. In gleichem Umfang und derselben Ausstattung im Jahrg. XII/XIII (1917/18) der
Mainzer Zeitschrift erschienen. Im allgemeinen sei auf die Literaturangaben daselbst verwiesen.


 
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