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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Günther, D.: Die vier allegorischen Figuren am Südportal des Wormser Doms
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Witte, Fritz: Der Wille zur Tat
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0023

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. N r. 1/2

gorien in Beziehung gesetzt47. In Worms geschah dies mit den Tugenden der
Caritas und Fides. Wir gewahren also auch bei diesem Teil des Portalschmucks
die überlegte und relativ selbständige Auswahl, die wir schon bei dem Hauptteil
feststellen konnten. Nur eine Auswahl aus ihrem zugehörigen Gesamtzyklus
konnten diese vier allegorischen Figuren sein, aber diese Auswahl enthält Wesent-
liches, Charakteristisches und sie schließt sich, soweit der Gegenstand es zuläßt,
zu einer Einheit zusammen.

Marburg (Lahn). Prof. D. Günther.

DER WILLE ZUR TAT.

Der Zeiger der Schicksalsuhr unseres deutschen Vaterlandes steht auf Mitter-
nacht. — Nun harren wir der Morgendämmerung. Was wird sie uns
bringen? Die Auswirkungen des schauerlichen Dramas zeigen sich nicht
nur im öffentlichen lauten Leben, sie greifen grausam genug auch auf das Leben
des Einzelnen über. Das Weinen haben wir verlernt, wir raffen uns zusammen
und besinnen uns auf unsere Pflichten und Aufgaben. Die sind: Rettung des
Volkes, Rettung Unserselbst.

Wo unser Menschentum zerrüttet, dämmert stärker hinter uns das Abendrot
eines Paradiesesglückes, das uns verlorenging, zieht das Erinnern auf an glück-
lichere Zustände unserer Seele. Doch, sie liegen ja außerhalb unseres Erden-
lebens, in Vergangenheit und Zukunft liegen sie begraben. Nur ein Mittel
gibt es, ihnen gewissermaßen wieder Lebensmöglichkeit zu geben: die Kunst.
Beim Künstler ist das Erinnern kraft der ihm vom Schöpfer gegebenen Intuition
lebendiger und plastischer wie bei anderen; deswegen befragen wir ihn so gern
und lassen wir uns seine Rekonstruktionen von Glück gefallen. Zu Ende mündet
dieses Erinnern bei Gott, zu Ende wird dadurch alle große ernste Kunst religiös.

Nicht durch die destruktive Art des Hypermodernismus, der insofern immer
beim Aktivismus landet, als ihm politische und allgemein weltanschauliche Ziele
auch Ziel seiner Kunst erscheinen. Das ist Exseknerung der heiligen Kunst,
das bedeutet auch Entfremdung der Kunst für das Volk. — Die Blutströme des
Krieges deckt man heute besonders gern zu mit den Lorbeeren der Kunst. Das
ist typisch; die Religion will man vielfach nicht als Helferin, man holt die Kunst.
Das kann uns recht sein; denn dadurch bleibt latent wenigstens die Bindung
auch mit der Religion.

Im Grunde ist alle Kunst aber zweck- und ziellos, spannt sie sich nicht in den
Rahmen der Architektur, wird sie nicht selbst architektonisch, sagen wir ,,a n -
gewandte Kunst". Sie wäre populärer und mehr Bestandteil des Lebens
geblieben, hätte sie sich auf ihre letzte Aufgabe immer wieder besonnen und
wäre sie für das Leben bestimmt geblieben. Wir hatten eine Kunst von hundert-
tausend Einzelwerken bildender Künstler, aber nicht eine Kunst, eine Kunst,
deren Bestandteile einen einzigen großen Organismus bildeten. Diese Einzel-
bestandteile wurden „bezogen" von Unternehmern, die ein organisches Leben
und Gruppieren der Kunst nicht aufkommen ließen. Nirgends war und ist das

4' Im Tegernseer Spiel ist sie außerdem mit Papst und Kaiser, also auch dem Träger der
weltlichen Gewalt zusammengestellt.
 
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