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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Witte, Fritz: Ein ernstes Wort über das Restaurieren
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0070

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Nr. 4____________ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.___________59

Neuvergoldung solchen Ehrenplatz für die Firma zu beanspruchen. Hier
kann einzig die geschäftstüchtige Reklamesucht die Triebfeder sein. Alte
Restaurationen vergessen nie, zur Jahreszahl das Wort renovatum zu setzen;
der Restaurator verschweigt wohl stets bescheiden seinen Namen. Das
gerügte Vorgehen solch gewissenloser Goldschmiede ist so verwerflich, daß
wir jeden Pfarrer nur dringlich bitten können, die Restauratoren für derartige
brutale Übergriffe und Anmaßungen haftbar zu machen; denn ein solcher
Eingriff benimmt zweifelsohne dem Kunstgegenstande einen erheblichen Teil
seines objektiven Wertes. Alle Eigentümer so geschädigter Objekte sollten
von dem Fälscher verlangen, daß er seinen Firmenstempel wieder sach-
gemäß entferne und dadurch den beschädigten Dingen ihren alten Wert
wiedergebe. Es wird eine nicht unwesentliche Aufgabe des neuen Kölner
Institutes für religiöse Kunst sein müssen, die Kirchengemeinden vor solchen
Schädigungen, die Kunstwerke vor solchen Fälschungen zu bewahren. Die
Zeitschrift aber wird ebenfalls in Zukunft diejenigen öffentlich brandmarken,
die schamlos ihre Firma an solch historisch bedeutsamen Stellen zur Schau
stellen.

Auch über die Restaurierung bzw. Konservierung alter schadhaft ge-
wordener Plastiken sei hier ein Wort gesagt.

Wir werden an dieser Stelle über kurz oder lang die Abbildung eines
seltenen Kunstwerkes des XII. Jahrh. bringen, das an Bedeutung gewinnt
im Hinblick darauf, daß nur ganz wenige so verhältnismäßig gut erhaltene
Gegenstücke vorhanden sind, von denen zudem eines unlängst infolge des
Einbruches im Domschatz zu Hildesheim verdorben wurde. Es handelt sich
um eine mit teilweise vergoldetem Silberblech überzogene Madonnenstatue
des XII. Jahrh., auf die ich in der Kirche einer kleinen Bauerngemeinde
stieß. Der Madonna fehlt der eine Arm vollständig, der zweite ist von
unkundiger Hand vor langer Zeit ergänzt, das mit einem Puppenkleide
angetane Christuskind ist eine Ergänzung des XVI. Jahrh. Wir groß ist hier
die Gefahr, daß der Pfarrer an eine Ergänzung bzw. ,.Verschönerung" des
Juwels herangeht, vor allem, wenn das Bild, wie es hier der Fall ist, in
früheren Zeiten als Wallfahrtsbild diente, und der Pfarrer gern diese Wall-
fahrt neu beleben möchte. Glücklicherweise ist der derzeitige geistliche
Hüter der Goldmadonna ein ebenso einsichtiger wie kunstfroher Herr, der
niemals seine Hand dazu bieten würde, dem Kunstwerke zu nahe zu treten.

In einem solchen Falle kann es nur heißen: konservieren, unter
keinen Umständen aber restaurieren. Auch die leiseste Ergän-
zung würde eine Todsünde bedeuten und dem Auftraggeber Schande statt
Ehre eintragen; die Öffentlichkeit würde sich auflehnen müssen gegen
solche Pietätlosigkeit. Es ist gewiß richtig: Eine Madonnenfigur ohne Arme
kann unmöglich noch als Kultgegenstand benutzt werden; dennoch darf
man keinesfalls die verbessernde Hand an solch bedeutsame Dinge legen:
der Zahn der Zeit allein hat das Recht, an ihnen zu zehren. Hier gibt es
nur einen Ausweg: das Original wird kopiert, eventuell so ergänzt, daß der
mutmaßliche Ursprungszustand wiederhergestellt erscheint. Da dem Katho-
liken nicht das Bild als solches verehrungswürdig ist, als vielmehr die dar-
gestellte Persönlichkeit, so verschlägt die Auswechselung in diesem Falle


 
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