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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Witte, Fritz: Ein ernstes Wort über das Restaurieren
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0071

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ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST. Nr. 4

nicht viel. Ob nicht die biederen Landleute viel lieber und besser vor der
ergänzten Nachbildung als vor dem verstümmelten Originale beten? Dieses
selbst aber gehört schon wegen seines historischen Wertes und der daraus
resultierenden Diebstahlsgefahr nicht in die offenstehende stille Landkirche,
sondern in das öffentliche Museum, und das ist in diesem Falle das junge,
vorbildlich emporstrebende Diözesanmuseum zu Osnabrück.

Ganz ähnlich wird stets zu verfahren sein, wenn Holzplastiken der
Verwurmung, Steinplastiken der Verwitterung anheimfallen. Jeder Museums-
leiter erfährt immer wieder, wie schwer dem gefräßigen Holzwurme end-
gültig beizukommen ist. Die Methoden, die allein seine vollständige Un-
schädlichmachung garantieren, sind aber leider derart, daß die Figur in den
meisten Fällen für die Kirche und die öffentliche Verehrung unbrauchbar
wird, es sei denn, sie würde unter Anwendung starken Polymentes neu
polychromiert. Aber auch darin steckt in den meisten Fällen eine schwere
Pietätlosigkeit schon gegen die ethischen Werte einer solchen schadhaft
gewordenen Figur. Auch sie sollte einen Ersatz und selbst einen Platz im
öffentlich zugänglichen Museum finden. Bei Steinplastiken ist von vorne-
herein mit dem Ersatz durch eine genaue Nachbildung oder eine im Geiste
der Zeit geschaffene neue Figur zu rechnen. Aus diesen Erwägungen heraus
hat man ja auch den berühmten Kreuzweg von Adam Krafft am Johannes-
friedhofe in Nürnberg durch Nachbildungen ersetzt, die Originale aber in
das Germanische Museum verbracht.

Es klingt unglaublich, und doch ist es wahr: Es gibt Pfarrer, welche
Gemälde, die sich in der Kirche oder im Pfarrhaus befinden, dem Orts-
anstreicher oder sonst einem „Sachverständigen" zur Auffrischung übergeben.
Diese hat meistens das Resultat, daß das Bild völlig verdorben wird.
Niemals sollte man ein Gemälde ohne vorherige Befragung eines Experten
zur Auf frischung aus der Hand geben, denn letztere ist Sache des Vertrauens.

Mehr als einmal wurde bei sachgemäßen Reinigungs- und Restaurierungs-
versuchen die Entdeckung gemacht, daß unter späteren Ubermalungen die
kostbarsten alten Gemälde des Mittelalters sich verborgen hielten Ich er-
innere mich eines Falles, wo einzig an den durch die aufgetragene spätere
Farbschicht zutage tretenden punzierten Kreisen die Vermutung auftauchte,
unter der oberen Gemäldeschicht stecke eine ältere; und tatsächlich: das
sichtbare Abendmahl war eine barocke Ubermalung eines Kreuzigungsbildes
von einem westfälischen Meister des XV. Jahrh. Zum Restaurieren alter
Gemälde gehört Verständnis für die Alten und große Erfahrung; denn jede
Maltechnik der Alten erfordert eine andere Behandlung bei der Restau-
rierung und Erhaltung. Also auch hier gehe man mit größter Vorsicht und
Zurückhaltung zu Werke und ziehe unter allen Umständen zunächst den
Sachverständigen zu Rate.

Wir sind gewiß, daß Mahnungen wie diese, welche unter dem Eindrucke
frischer Erfahrungen niedergeschrieben wurden, bei der Geistlichkeit auf
fruchtbaren Boden fallen und infolgedessen ihre Wirkung tun. Wir möchten
zum Schlüsse als leitenden Grundsatz das Wort aussprechen, das in fast
allen Fällen richtig ist: Unsere Pflicht ist, zu erhalten, nicht
zu restaurieren oder ergänzen. Witte.
 
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