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Zeitschrift für christliche Kunst — 33.1920

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Renard, Heinrich: Der Einfluss der wirtschaftlichen Lage auf die christliche Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.4307#0092
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Nr. 5/6__________ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST._____________81

Bei der Ausstattung unserer Gotteshäuser wird man in Zukunft stets zu fragen
haben, ob das zu beschaffende Ding, liturgisch notwendig, oder zweckmäßig und
erwünscht oder schließlich entbehrlich ist. Notwendig ist in einer katholischen
Kirche der Altartisch mit seiner Ausrüstung, als da sind Kelch, Ziborium, Mon-
stranz, Kruzifix und Leuchter, Altartücher und Tabernakel, notwendig ist die
priesterliche Gewandung, der Taufstein und ein den kirchlichen Vorschriften
genügender Beichtstuhl. Zweckmäßig und erwünscht mag die Kommunionbank,
die Kanzel und das Laiengestühl sein, entbehrlich in Zeiten der Armut sind Orgel,
Nebenaltäre, Glasgemälde und so manches, was uns heute so unentbehrlich
im Bilde eines Gotteshauses dünkt. Nicht notwendig erscheint es, jeden Altar
mit einem Aufwand von Architektur und Ornament, und Bildwerk zu bekrönen.
Man stelle auf ihn das Werk eines wirklichen Künstlers ohne jedweden Rahmen,
ohne Beiwerk, und man wird vielleicht einen größeren Eindruck auf den Beter
machen, als es früher geschah, wo man dem Tischler den Altar bestellte und es
ihm, dem Handwerker überließ, das Wichtigste, das Bildwerk von irgendeinem
bescheidenen armen Schlucker oder Nichtkönner zu beschaffen. Der Geistliche
„suche' wieder den Künstler, es sei zurückhaltend gegenüber dem gewandten
Geschäftsmann, der die „Kundschaft" besucht und Aufträge „hereinholt".

Notwendig ist ein lange Lebensdauer versprechender Rohstoff, entbehrlich
in vielen Fällen ein kostspieliger Edelstoff. Entbehrlich ist auch eine mühselige
und daher kostspielige Durchbildung des einzelnen Gegenstandes, aber um so
notwendiger die Bearbeitung des Entwurfes und des Werkes durch Künstler-
hand, die, entsagungsbereit, schlichteste Form und Durchbildung mit künstle-
rischen Gedanken zu einem wertvollen Werk vereinen wird. Die für unsere Kirche
schaffenden Künstler, Kunstgewerbler und Handwerker müssen sich in vielen
Dingen umstellen, und neben ihnen wird die „Fabrik" einen erheblichen Teil
des Bedarfs an kirchlichen Ausrüstungsstücken übernehmen, nicht jenes Unter-
nehmen, das den freien Künstler zu einem festbesoldeten Arbeiter machte, son-
dern eine Vereinigung des kaufmännischen Geistes mit dem frei bleibenden
Künstler nach den Vorschlägen des Deutschen Werkbundes.

Die Not pocht an unsere Arbeitsstuben und Werkstätten, die Gefahr, daß
unser Nachwuchs nicht mehr recht ausgebildet werden kann, und ein unheil-
voller Riß zwischen der Vergangenheit mit ihrem vielseitigen manuellen Können
und der Zukunft entsteht, ist nahe. Die fürstlichen Mäzene sind vertrieben, oder
ebenso, wie der reiche Adel in ihrem Vermögensbestand so gefährdet, daß sie
nicht mehr werktätige Gönner der Künste bleiben können; die Vertretungen
des Staates und der Gemeinde sind als vielköpfige Instrumente gar in der Lage,
als Mäzen zu wirken. So bleibt als einzige Einrichtung, zu der unsere Künstler
mit einiger Hoffnung hinschauen können, unsere katholische Kirche, die dank
ihres Aufbaues das Auswirken der einzelnen Persönlichkeit ermöglicht, und die
daher auch als Mäzen in die Werkstätten unserer Künstler gehen kann. Ihre
Vertreter müssen mehr als bisher die Künstler suchen and aufsuchen, sie müssen
etwas zurückhaltender werden gegenüber den sie aufsuchenden Geschäftsleuten,
deren Tätigkeit und künstlerisches Interesse vielfach zu Ende ist, wenn der
Auftrag „hereingeholt" ist. Der Geistliche „bringe" den Auftrag in die Werk-
statt des Künstlers, und lasse ihn nicht vorher von dem geschäftigen Macher
holen.
 
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