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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Thiersch, Hermann: Antike Bauten für Musik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0042
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28 H. Tbiersch-Freiburg i. Br.

der rätselhafteste aller, die dort zutage kamen. Auch die neueste Literatur betont es
immer wieder, daß wir in Wirklichkeit nicht wissen, wozu er gedient hat.1 Die Frage
nach seiner Bestimmung kann auch erst gelöst werden, wenn die Kenntnis seines einstigen
Aufbaus und die Motivierung seiner eigentümlichen, ganz singulären Konstruktion
eine klarere als bisher geworden ist. Ich will versuchen, dies im Folgenden zu zeigen.

Es gibt bis jetzt zwei Rekonstruktionsversuche, einen französischen und einen
deutschen, jener von Defrasse2, dieser von Herold3; beide, wie ich glaube, unzureichend
und irreführend. Daß es ein Irrtum war, von dem Defrasse bei seinem Versuch ausging,
als er den Bau zu einem Brunnenhaus mit weitem Oberlicht machte, ist fast allgemein
eingesehen worden. Herold seinerseits verzichtet von vornherein darauf, eine Lösung des
schwierigen Problems, wie das Dach gestaltet war, zu geben, und beschränkt sich in
seiner Rekonstruktion darauf, nicht weiter als bis zum Kranzgesims zu gehen.

Es sind drei Teile am Bau, die näher ins Auge gefaßt werden müssen, die sich
anders darstellen, als man bisher vermutet, und die richtig aufgefaßt zusammen

/















Abbildung 1. Querschnitt und Ansicht

der Fensterbank an der Tholos von
Epidauros (im Querschnitt des ganzen

Baues Abb 5 bei A) Abbildung 2. Äußerer Zierfries der Fensterbank an der Tholos

zu Epidauros. (Nach Defrasse-Lechat.)

ganz wesentlich dazu beitragen, die Bestimmung des Baues selbst anders und besser
als bisher zu verstehen. Das sind: die zylindrische Wand des Kernhauses, die Decke
darüber und der Unterbau der «Cella», der Hohlboden eben dieses Mittelraumes.

Der untere Teil der Cellawand besteht, wie üblich und worin auch alle Beobachter
übereinstimmen, aus einer Orthostatenschicht mit vortretendem Fußprofil. Und zwar ist es
eine doppelte Reihe hochkantig gestellter Platten, außen von weißem, innen von schwarzem
Marmor. Leider ist kein einziger dieser Steine in ganzer Höhe erhalten, so daß man
nur annähernd, nicht genau weiß, wie hoch diese Sockelschicht herauf reichte. Un-
mittelbar über ihr wird der weitere Teil der Wand stets gezeichnet als ein ringsum
geschlossener Zylinder, bestehend aus Kalksteinquadern in unter sich gleich hohen
Schichten, unterbrochen nur durch die Türöffnung. Das abschließende Gesimse gegen

Vergl. Pomtow, Berliner Philol. Wochenschrift 1906, S. 1182; Klio VI, 122.
Defrasse-Lechat, Epidaure 1895.

Zeitschrift für Bauwesen 1893, 575 ff. und Antike Denkm. des kais. archäol. Inst. II, Taf. 3—5,
 
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