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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Thiersch, Hermann: Antike Bauten für Musik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0043

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29

die Decke hin, das Kopfstück der Wand, bestand — das ist jedenfalls sicher — aus Marmor
und bereitet auf die ebenfalls marmornen Kassetten des äußeren wie des inueren Säulen-
umganges vor. Fast unmittelbar unter diesem Wandabschluß wird ein zweites, ähn-
liches, aber schwereres und ebenfalls nach beiden Seiten hin vorspringendes Gesimsstück
gezeichnet, dessen ursprüngliche Lage und eigentlichen Zweck man bisher zugeben mußte
nicht zu verstehen. Daher kommt es auch, daß es in den Rekonstruktionsversuchen
in verschiedener Höhe angesetzt wird, von Herold über der Kapitellhöhe der äußeren
Säulenreihe1, von Defrasse unter derselben.2

Dies Gesims (Abb. 1), von dem mehrere Stücke erhalten sind, ist von entscheidender
Wichtigkeit. Schon Herold3 machte aufmerksam auf den bedeutenden Unterschied in
Größe und Reliefbildung gegenüber der Sima über den äußeren Säulen, in deren Nähe
es bislang angebracht worden ist. Der Eierstab, die Perlschnur und der Palmettenfries
daran sind, wenn auch nicht neu in Erfindung, doch vom Zartesten und Elegantesten
am ganzen Bau (Abb. 2). Ungleich der mit effektvollster Schattenwirkung arbeitenden
Kräftigkeit des Reliefs an der Sima, erfordert

das Frieschen, nur wenige Centimeter hoch, eine I ~~\
wesentlich andere Distanz vom Beschauer als ^^/^0^^^f^jcffj^^^^^^^
jene. Es kann unmöglich so hoch gesessen flppfjSjW^iffi^WWl

haben, wie man annimmt, es verlangt schon aus 'ß^^^äMsMMsSk^im^^^mM^^
diesem Grunde eine Anbringung in nur etwas *"<** '
über Augenhöhe, so daß es in naher Unteran- J|||BjB
sieht gesehen werden kann. Das Gesims muß ^MIIsSj|
also tiefer gesessen haben. ^BSf I

Dazu kommt: das Gesims ist so gearbeitet, i$llfrJ

daß, würde man es wirklich einfügen wollen jj.........................^.............................

in eine geschlossen hochgehende Wand, dieselbe Abbildung 3> Fensterbank vom Arsinoeion
über ihm dicker sein müßte als unter ihm. auf Samothrake (nach Niemann).

Damit kommt man auf ein Unding, an welcher

Stelle der geschlossenen Wand auch immer das Gesims eingefügt werden mag. Auch
seine Anbringung so hoch oben, wie sie bis jetzt angenommen und gezeichnet wurde,
ist unter diesem Gesichtspunkte vollständig sinn- und zwecklos. Der auffallende Breiten-
unterschied bei Ober- und Unterseite des Gesimses kann nur dann verstanden werden,
wenn dasselbe den Dienst einer Fensterbank versah, d. h. wenn es die Unterlage bil-
dete zu einer Fensterumrahmung, welche nach vorn etwas über die Wandfläche vor-
sprang. Dies Gesims führt uns also zweitens auf Fensteröffnungen, auf Durchbrechungen
der Cellawand, ganz abgesehen von der schon durch die Türe gegebenen Lichtquelle.

Ferner: nach der Übung der antiken Bauweise ist ein derartiges Wandgesims
im unteren Teil der Wand nur zu erwarten und zwar an einer ganz sicher bestimm-
baren Stelle, nämlich unmittelbar oder doch nur wenig über den Orthostaten.
Um nur besonders verwandte Bauten, andere Rundgebäude zu nennen: der von den
Amerikanern ausgegrabene Rundbau in Sparta4 sowie das Arsinoeion in Samothrake
(Abb. 3) haben ein solches Gurtenglied unmittelbar über den Orthostaten. Bei der
Pinakothek dagegen in den Propyläen zu Athen sitzt die Fensterbank etwas

1 Vergl. Ant. Denkm. II, 3—5. — 2 Epidaure, p. 107. — 3 a. a. 0., S. 579.
4 Americ. Jomn. of Archa?ology 1894, 545.

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