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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Bibliographie zur Geschichte der Architektur
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Zemp, Josef: Schweizerisches Referat
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0070

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Josef Zemp.

56

in Bern. Neues Berner Taschenbuch auf das Jahr
1908. — Die Arbeit enthält die Baugeschichte
des Zunfthauses «zum Falken», das 1732—1766
durch den Werkmeister Baumgartner umgebaut
wurde; 1905/06 wurde die Vorderseite durch
einen Neubau ersetzt.

Schweizerisches Referat
(1906-1908).

Von Josef Zemp.

i. Denkmäler des frühen Mittelalters.

Uberaus spärlich waren bis vor kurzem die
in der Schweiz bekannten Denkmäler des ersten
Jahrtausends. Die reichste Ausbeute hatte Genf
geliefert. Seither hat sich das Wissen gemehrt.
Die im Jahre 1907 erschienene Arbeit von Samuel
Guyer bebandelt schon eine recht ansehnliche
Zahl von Baudenkmälern, die erst in jüngster
Zeit nachgewiesen oder ausgegraben wurden.

Das ergiebigste Ausgrabungsfeld wäre der
enge Hof (cour du Martolet) der Abtei St. Mau-
rice im Unterwallis, wenn die Arbeit des Spatens
dort wirklich einmal in größerem Stile, in strafferer
Folge, mit reicheren Mitteln und mit Zuziehung
eines erweiterten Kreises von Fachleuten vor sich
gehen könnte. Was bis jetzt durch die Mühen
eines Einzigen geleistet wurde, des Chorherrn
Pierre Bourban, erweckt den Wunsch nach einer
systematischen Vollendung. Bourbans Arbeiten,
anfänglich unterstözt von dem französischen In-
genieur Jules Michel, wurden im Jahre 1896 be-
gonnen und seither in kleinen Etappen weiter-
geführt. Sie haben die Überreste von fünf ver-
schiedenen Kirchen ans Licht gebracht, deren
erste, an die Felswand gelehnte dem 5. Jahrhundert
angehören dürfte, während drei andere, in kurzen
Zwischenräumen ostwärts sich folgend, mit den
historisch beglaubigten Bauunternehmungen von
ca. 523, ca. 575 und 787 zusammenhängen. Das
waren einschiffige Kirchen; als dreischiffige Pfeiler-
basilika war dagegen eine letzte, vielleicht in der
Frühzeit des 10. Jahrhunderts erbaute Kirche an-
gelegt, von der sich bei der jüngsten Ausgrabung,
im Jahre 1907, im westlichen Teil des Hofes
ein Teil der Apsis und der Ringkrypta gefunden
hat. Leider fehlt es noch immer an einer aus-
reichenden Veröffentlichung des Planes dieser

hochwichtigen Ausgrabungsstätte; man ist vor-
läufig auf eine von Guyer gegebene kleine Skizze
angewiesen.

Über die Ausgrabung von zwei frühmittel-
alterlichen, einschiffigen Kirchen in Romain-
mötier, aus dem 5. und 7. Jahrhundert, habe
ich in dieser Zeitschrift berichtet (I. 4).

Jenem Hofe der Abtei St. Maurice stellt sich
jetzt der Klosterhof von Disentis in Graubünden
als eine Stätte hochinteressanter Ausgrabungen
zur Seite. Die Abtei wurde im Jahre 613 durch
Sigisbert, einen Schüler Golumbans, gegründet.
Schon 1895 wurden an der Südseite des Kloster-
hofes die Grundmauern einer alten Kirche auf-
geschürft, aber leider nicht genau aufgenommen.
Sie hatte den nämlichen Grundriß wie die Ma-
rienkirche, die bis 1895 nördlich ganz in der
Nähe stand: ein einschiffiger, rechteckiger Saal
mit drei nahezu gleich großen Apsiden an der
Ostseite. Schon 1906 habe ich diese zwei Kirchen
von Disentis als Werke aus merowingischer Zeit
(um 733) erklärt und ihnen als Bauten des näm-
lichen Typus die Kirchen von Müstail (um 780)
und Münster (um 800) angereiht. Ausgrabungen
in den Jahren 1900 und 1907 haben den mero-
wingischen Ursprung jener im Jahre 1895 auf-
geschürften Kirche bestätigt. Um die Sichtung,
Erforschung und Veröffentlichung der Funde haben
sich E. A. Stückelberg und J. Ii. Bahn verdient
gemacht. Das Überraschendste war die Ent-
deckung von zahlreichen Resten eines Innen-
schmuckes aus weißem, zumeist bemaltem Stuck:
Teile von architektonischen Gliederungen, wie
Säulen, Halbsäulen, Rundbögen, dann Reste
plastischer Ausstattung von Wandflächen, In-
schriften, endlich Köpfe, Hände, Füße, Gewand-
teile. Der Umstand, daß diese Stuckfragmente
nur in den östlichen Teilen der ausgegrabenen
Kirche gefunden wurden, läßt auf eine reiche
Dekoration der Chorpartie schließen, vermutlich
mit Chorschranken und vielleicht mit Relieffiguren
unter rundbogigen Arkaden. Alles kam in Schutt
und kleinen Trümmern zutage, und es ist frag-
lich, ob ein geduldiges Sichten der in die Tau-
sende zählenden Stückchen die Rekonstruktion
eines ehemaligen Zusammenhanges ermöglichen
würde. Stilistisch hat Rahn mehrere Gruppen
unterschieden: eine älteste, die ich unbedenklich
mit einer Baunachricht von 733 in Verbindung
 
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