Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

DOI Artikel:
Thiersch, Hermann: Antike Bauten für Musik, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0081

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
II. Jahrgang. Heft 4. Januar 1909.

Antike Bauten für Musik.

Von Herrn. Thiersch-Freiburg i. Br.

(Fortsetzung.)

Der Peloponnes, besonders Sparta1, ist die Wiege und Heimat der älteren Musik-
periode des klassischen Griechenlands. Die erste und zweite «Katastasis» der Musik
vollzog sich in Sparta (vergl. Westphal, Musik des griech. Altertums, S. 50 und 114); das
ganze 7. und 6. Jahrhundert hindurch ist dort aufs eifrigste an der Vervollkommnung der
Musik gearbeitet worden.2 Andere Städte des Peloponnes wetteifern damit. Außerhalb

1 Vergl. A. Müller, Bühnenaltertümer, S. 67 ff. mit den dort angeführten Stellen.

2 Diese rege Betätigung Alt-Spartas auf dem Gebiete der Töne ist nur ein Teil der auf allen Ge-
bieten der Kunst damals noch in Sparta herrschenden Lebendigkeit. Dann, auf einmal, mit dem Ende der
archaischen Zeit bricht diese glückliche Periode Lakedämons ab. Es ist, als ob ein Erbe der mykenischen
Kunstbegabung der älteren Bevölkerung (Amykläl) hier noch lange nachgewirkt hätte, bis es endlich im
5. Jahrhundert völlig versiegte. Vergl. Furtwänglers «Einleitung», Deutsche Rundschau 1907, S. 378.

Dazu kommt die immer deutlicher aus der Vergessenheit wieder emportauchende Bedeutung Altkretas
auch in diesem Stück. Wie in anderen Künsten war die Insel auch in der Musik die tonangebende Zentrale
der mykenischen Kultur. Nicht nur die meisten Kultriten sind nach der Überlieferung der Alten (Diod.
V, 77) aus Kreta nach Hellas gekommen, mit ihnen ganz speziell auch die Musik. Thaletas von Gortyn
brachte den ersten Päan nach Sparta, und kretische Männer ziehen päansingend den steilen Pfad nach Delphi
hinauf, jenem anderen der beiden neuen Musikzentren. Diese Zusammenhänge sind kein Zufall. Der en-
thusiastische Rhythmus, dessen ungestüm feuriges Tempo sich alle Jahrhunderte hindurch besonders in den
Kultliedern unter dem Namen «creticus» erhielt, hat den impulsiven Schwung der mykenischen Zeit in
eine jüngere, gemessenere Zeit herübergerettet. Und die 7saitige Leier, die bisher als eine Erfindung Ter-
panders galt, kennen wir jetzt in Kreta schon aus dem 2. Jahrtausend vor Chr. (vergl. Angelo Mosso, Gretan
Palaces, p. 317/8), der /opö; des Dädalus in Knossos (II. XVIII, 590) war ein singender Reigen mit Instru-
mentalbegleitung, wie ihn im Kleinen (mit Andeutung einer kreisrunden Podiumthymele ?) die Terrakotta bei
A. Mosso p. 283 schildert. Vielleicht steht der kreisrunde Grundriß des archaischen Gebäudes mit dem Recht
von Gortyn auch mit diesen Dingen und der ähnlichen kreisrunden, neuerdings in Sparta beim Tempel der
Artemis Orthia in Zusammenhang. Zu Gortyn lag in der Nähe das Heiligtum des Apollo Pythios!

Zu diesen Zusammenhängen vergl. jetzt auch Wolf Aly, Der kretische Apollonkult, Leipzig 1908.
Zeitschrift für Geschichte der Architektur. II. 9
 
Annotationen