Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

DOI Artikel:
Dammann, Walter Heinrich: Der Ursprung des Haubenturmes
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0193

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
II. Jahrgang. Heft 8. Mai 1909.

Der Ursprung des Haubenturmes.

Von Walter H. Dammann.

Die Turmform, die nach dem Zurücktreten der Gotik zur Regel wurde, die so-
genannte welsche. Haube, ist gegenüber den mittelalterlichen Leistungen lediglich in der
Form neu. Die Konstruktion wurde — sowohl im mathematischen Sinne wie im
Material — aus dem System des Mittelalters übernommen. Die statische Idee der Durch-
sichten uud Durchbrechungen, die man früher wesentlich nur in Steinbauten dar-
zustellen verstanden hatte, kam jetzt auch im Material des Holzkupferturmes zum Aus-
druck ; und dieser, zum Vortrage der gewünschten Form vorzugsweise geeignet, wurde
im baugeschichtlichen Gesamtbilde der Folgezeit herrschend.

Der konstruktive Gedanke, zur A^erminderung der Baulast den Turmhelm zu
durchbrechen, lag dem gotischen System nahe. Die Gotik hat dieser Erwägung mit
scharfer Folgerung Rechnung getragen.

Den als geschlossenen Baukörper gedachten prismatischen Unterteil eines gotischen
Turmes bedecken die Seitenflächen der Helmpyramide als durchbrochene Ebenen. Einen
Turm genau dieser Art zeigt etwa die Würzburger Marienkapelle. An entwickelteren
Bauten mit durchbrochenen Helmflächen, z. B. an den Domen von Freiburg, Regens-
burg, Köln, blieb auch der untere Turm von einer gewissen Höhe ab leer und offen;
trotzdem erhielt er gefensterte Stockwerke, so daß sich seine äußere Erscheinung von
der eines geschlossenen Baues nicht unterscheidet, wenigstens nicht grundsätzlich. —
Noch weiter geht die Auflösung am Turm des Straßburger Münsters. Hier wird schon
der prismatische Turmkörper von einer gewissen Höhe ab als ein konstruktives Stein-
skelett ausgebildet; alle Füllungsglieder bleiben fort. Vollends der Helm besteht nicht
aus einzelnen durchbrochenen Flächen, sondern aus rippenartig gegeneinander geneigten
Treppenläufen. Erst beim Besteigen der Laterne entdeckt man das zwischen den Treppen-
rippen ausgespannte Maßwerk.

Zeitschrift für Geschichte der Architektur. II. 23
 
Annotationen