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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Thiersch, Hermann: Antike Bauten für Musik, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0058
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H. Thiersch-Freiburg i. Br.

zur neuen Form: das Podium hat zwar noch nicht die geschlossene Gestalt, sondern
ist tischartig nur an den Schmalseiten von Stützen getragen, hat aber schon ganz die
langgestreckte Form des späteren Bemas und der mykenischen Urform. — Ausgebildete,
seitlich geschlossene Musikbematas, mehr oder weniger gestuft, dargestellt auf Vasen-
bildern finden sich bei Svoronos a. a. 0., S. 29 ff. und p. XIII und XV (Abb. 13 und
14)1; ob von kreisrunder oder viereckiger Form, ist dabei freilich nicht auszumachen.

Nach dieser notwendigen Abschweifung kehren wir zur Tholos von Epidauros
zurück. Nun ist eine wirkliche Erklärung des Baues erst möglich. Die alte, längst
gehegte und .trotz; aller Widersprüche niemals ganz erstickte Vermutung, die Tholos sei
das Odeion von Epidauros gewesen, ist offenbar richtig, vollständig und allein richtig.
Von dem kreisrunden, in Holz eingedeckten Musikpodium in der Mitte des Bodens, als
der charakteristischsten, wichtigsten und unentbehrlichsten Zubehör des Baues, ist der
Name Thymele nicht nur auf
den ganzen Innenraum, sondern
schließlich auch auf den gesamten
Bau übertragen worden.

Nun wird auch das rätsel-
hafte Labyrinth verständlich.
Durch seine in Holz überdachte
Mitte mit dem hohlen Podium,
dessen zylindrische Wandung (wie
in Delphi, vergl. unten) aus Marmor
gewesen sein mag, bildete es einen
einzigen großen erweiterten Reso-
nanzboden, der sich unter der gan-
zen Mitte des Gebäudes hinzog.
Darum also war der Unterbau nicht
einfach massiv gemacht oder dicht

aufgefüllt worden, sondern künst- ,„ ,s \ 1r .„ . Tr

° ... . Abbildung 13. Kitharodischer Agon. Von einer rotngurigcn Vase

lieh und absichtlich mit möglichst (nach journai international d'archeologie numismatique).
viel Hohlraum unter dem Fuß-
boden konstruiert worden. Dieser Hohlraum versah denselben Dienst wie der Hohlraum
im Innern einer Guitarre oder einer Violine: eine runde Öffnung vermittelt bei beiden
in der Mitte die Resonanz; daß sie ganz oben mit Holz überdeckt war, war nicht nur
unwesentlich, sondern ergab noch eine Verstärkung der Resonanz; den Steg der Guitarre
vertritt die Podiumthymele, die tönenden Saiten der Kitharist und der Flötenspieler.2

1 Es gibt natürlich noch viel mehr Material zu dieser Frage. R. Zahn notiert mir einen kleinen
Jüngling auf Speisetisch in Berlin, ein nacktes Mädchen ebenso im Brit. Museum, einen auf einem Tisch
tanzenden Barbaren im Athener Kunsthandel, ebenso Flötenspielerinnen, ähnlich einen Barbar auf Rund-
tischchen im Athener Nat.-Museum, eine Kabirionsscherbe mit analoger Barstellung etc. etc. . . .

2 Vergl. Sturmhöfel, Akustik des Baumeisters, S. 75: «Bei der Geige wird durch den Steg die
Saitenvibration auf die möglichst dünnen und elastischen Holzdecken und -böden des Kastens übertragen».
— • Sollte die in der Bauinschrift Zeile 130 zu 150 Drachmen verrechnete und noch nie wirklich erklärte
K^faSüXiocts einen ursprünglich in Holz hergestellten Boden des Innenraumes (innerhalb des Säulenkranzes)
bedeuten, und dieser später erst bei einer Reparatur in Marmor ersetzt worden sein? Vergl. Stais, Ephim.
1892; 98 (y.aTa!6Xtuat<; =? eine Art Unterlage!]. Das Rautenmuster des Pflasters sieht so grob aus, daß es
wenig zu der in allen andren Stücken überaus feinfühligen ursprünglichen Ausstattung des Inneren passen will.
 
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