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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 2.1908/​9

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Haupt, Richard: Vom Dome zu Ripen
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https://doi.org/10.11588/diglit.19219#0133
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Vom Dome zu Ripen.

Schwierigkeiten vorlagen, da es sieh um sehr er-
hebliche Massen von bedeutender Ausdehnung
handelte, und zur Vermeidung alles ungleichen
Setzens, tat hydraulischer Kalk unsträfliche, sich
vollkommen bewährende Dienste.

Wer es überhaupt billigen will und muß, daß
der wunderschöne Bau erhalten und gesichert,
und daß dabei nicht das besonders im 18. Jahr-
hundert geübte Verfahren grober und rücksichts-
loser Zurechtslutzung angewandt worden, son-
dern daß es mit allen den Mitteln der Liebe,
Sorgfalt, des Verstandes und Verständnisses ge-
schehen ist, über welche unsere Zeit und jenes
Land verfügt, der muß sich mit dem jetzt daraus
notwendigerweise Gewordenen vertraut machen.
So wird er, selbst wo es ihn ein wenig fremd an-
mutet, es gelten lassen und sich damit zu be-
freunden suchen. Wir dürfen nicht unterlassen,
in dieser Betrachtung hier noch etwas zu ver-
weilen .

Es ist unleugbar, daß sich der Dom, nach
diesem Verfahren behandelt, äußerlich als ein
sich von der Umgebung absondernder, ganz neuer
Bau darbietet, der uns als Ganzes akademisch
kühl berührt. Besonders muß man sich zu-
nächst fast zwingen , den neuen Südturm gelten
zu lassen. Der alte war im 18. Jahrhundert ab-
gebrochen worden, eine abscheuliche Lücke las-
send. Eine Wiederherstellung war hier also
nötig, und eine irgend andere Gestalt dem neuen
Turme zu geben als die jetzt gewählte, in der
er sich, der Idee des Ganzen gemäß, als ein fast
ängstlich getreues Abbild eines rheinischen Turmes
darstellt, wäre erst recht großen Bedenken be-
gegnet. Will man nur diesen neuen alt werden
lassen, so wird er sich seinen Platz, in Ehren
an ihm grau geworden, verdient haben.

Im Inneren ist die Wirkung fast noch kühler.
Man hat hier, bei der bezaubernden Herrlichkeit
der Architektur, in manchem Betrachte noch
ein Gefühl der Leere, der Unbewohntheit; in der
Farbengebung herrscht unzweifelhaft noch eine
gewisse Frostigkeit und unbeabsichtigte Härte.
Freilich ist man den Spuren der alten Bemalung
mit der größten Sorgfalt nachgegangen, und hat
danach in gewissem Umfange eine neue ge-
schaffen, oder sie vielmehr angebahnt; aber eine
harmonische Gesamtwirkung ist noch nicht ge-
schaffen. Gerade wo sich der Raum am wei-

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testen dehnt, herrschen die weißen unfertigen
Flächen beängstigend vor. Die Reste der alten
Ausstattung in Holz, Metall und Stein sind, ver-
bunden mit der neuen, zu wenig und zu klein
und zu sauber und glatt, um das Ganze richtig
ausfüllen und wohnlich machen zu können. Das
ist aber natürlich wesentlich nicht Schuld der
neuen Herstellung, sondern früherer Zeiten, des
neuerdings so gepriesenen 18. und 19. Jahrhun-
derts1; wer sich den Dom vorstellt, wie Ter-
pager (Ripae Gimbricae 173C) von ihm redet,
die Fülle der damals in ihm erhaltenen Einzel-
heiten vorführend, den muß es in der Seele
jammern, zu bemerken, was alles da verloren
gegangen ist. Doch es kann und wird die Zeit
hier noch bessernd und ausgleichend wirken.

1. Das westliche Portal in jetziger Erscheinung.

Amberg hat sich schon kräftig bestrebt, vor-
handene Mittel und Kräfte zu diesem Ziele in
Bewegung zu setzen. Große Mühe und viel Auf-
wand ist der Kanzel und dem Orgelbau zuge-
wandt worden, mit sehr beachtenswertem Erfolge.

1 Die bedeutsamste und einschneidendste Verän-
derung war jedocli schon 1560 vorgenommen, wo
die Trennung des Innern in die Stifts- und Gemeinde-
kirche abgeschafft worden ist. hier wie sonst überall
in der Absicht, die Einheitlichkeit der Raumwirkung
herzustellen, und tatsächlich zu nie wieder gut zu
machender Beeinträchtigung eines Baues, der die
Ungeteiltheit so wenig verträgt, als ein Wohnzimmer
den Mangel an Ausstattung.
 
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