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Zeitschrift für Geschichte der Architektur — 3.1909/​10

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Pomtow, Hans: Die alte Tholos und das Schatzhaus der Sikyonier zu Delphi, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.22223#0151
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Die alte Tholos und das Schatzhaus der Sikyonier zu Delphi. 137

Weihegaben stifteten (goldene Sterne, Athenerhalle), so auch die Sikyonier in Olympia
das Schatzhaus aus ihrem Beuteanteil erbaut hätten, etwa in den Jahren 479—475.1

Für den delphischen Bau dieselbe Veranlassung (Kriegsbeute) — wenn auch zu
anderer Zeit — anzunehmen, wäre wenig methodisch und recht unwahrscheinlich. Hier
bietet sich durch die Ortsnatur und das frühere Vorhandensein der Tholos eine näher
liegende Erklärung. Nicht aus politischen Gründen wird man jene abgebrochen haben,
etwa um die Spuren der Kleisthenischen Herrschaft zu vernichten — denn hierzu lag
seit dem V. Jahrhundert kein Grund mehr vor, und für solche Rigorosität findet sich wohl
überhaupt kein griechisches Beispiel —, sondern sie kann das Schicksal so mancher del-
phischer Gebäude geteilt und durch Erdbeben gelitten haben. Da aber von den 13 Archi-
traven keiner geborsten ist, würden wir an keinen Zusammensturz, sondern an Defor-
mierung, an Wich aus Lot und Flucht denken. Wie sehr gerade ein solcher Rundbau
mit den überschlanken Säulen und dem schweren Gebälk und einer ganz dünnen Gella-
wand (38 cm) durch Erdbeben leiden mußte, liegt auf der Hand, und man darf sich
wundern, daß der zierliche Tempel überhaupt l1/^—2 Jahrhundert lang die Erdbebenstöße
ausgehalten hat.

Betreffs der Zeit der Tholosbeseitigung können wir vorläufig nur sagen, daß,
abgesehen von dem einen Steinmetzzeichen m P, das noch unerklärt ist, alle Indizien
darauf weisen, daß der neue Thesauros im letzten Drittel des V. oder allenfalls im ersten
des IV. Jahrhunderts erbaut sei. Während des Peloponnesischen Krieges wird man jedoch
die Erbauung für wenig wahrscheinlich halten, also bliebe das Ende der Pentekontaetie
oder die Jahre 400—367. Lange schien mir die erste Epoche weitaus wahrscheinlicher. Erst
als durch Fiechter die Existenz des älteren Rechteckbaues erwiesen war, von dem die
Metopen stammen, ergab sich, daß auch die zweite Epoche sehr wohl in Frage kommen
kann. Mit allem Vorbehalt stelle ich die Anzeichen für sie schon hier zusammen,
obwohl sich das Genauere erst bei der Rekonstruktion des Thebaner-Schatzhauses wird
beweisen lassen.

Wie die Überreste des Thebanerhauses zu erkennen geben, erhob sich auch hier
ein Neubau (Kalkstein) auf altem Poros-Fundament, bezw. auf einem aus älteren
Blöcken zusammengebauten. Letztere tragen zahlreiche Namen in altertümlichem Alphabet
und Dialekt, den man für böotisch erklärt hat. Andererseits gibt Pausanias als Er-
richtungsursache des zu seiner Zeit existierenden Gebäudes die Schlacht bei Leuktra an.
Wenn wir nun zwei, unweit voneinander liegende Gebäude (Theben und Sikyon) auf alten
Fundamenten neu errichtet sehen, so gewinnt es den Anschein, als seien beide gleich-
zeitig durch dieselbe äußere Ursache erschüttert oder beschädigt worden.

Ein drittes viel wichtigeres Gebäude gesellt sich ihnen zu: der große Tempel. Nach-
dem ich als Ursache der von mir nachgewiesenen Zerstörung des Alkmeonidenbaues
im IV. Jahrhundert zunächst einen Brand, Homolle später ein Erdbeben angenommen
hatte, hat Keramopulos kürzlich darauf aufmerksam gemacht, daß wahrscheinlich weder
das eine noch das andere der Fall gewesen sei, sondern eine Verschüttung und Zerstörung
durch die riesigen, haushohen Felsen, von denen ein Teil heute noch hinter der späteren,
10 m hohen Schutzmauer (icrxeiaov) zu sehen sei. Dadurch wird meine Ergänzung der

1 An kleineren Weihegeschenken stifteten nach der Platäischen Schlacht z. B. Platiiä und Karystos (?) je
einen Stier, Epidauros einen Apollo nach Delphi. Auch den Stier der Eretrier in Olympia möchte Curtius
auf die Perserkriege beziehen (Olympia I, 29).

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