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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 3
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Reimer, Paul: Die historische Waffenkunde auf kulturgeschichtlicher Grundlage
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0073
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3. Heft,

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

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Charakterisierung' dieser oder jener Waffe besonders
geeignet sind. Auf die Entwickelung des Kriegs-
wesens zur See hat die Waffe einen ganz eminenten
Einfluss ausgeübt, der auf dem Gebiete des Kriegs-
schiffbaues, des Seegefechtes, des Minen- und Tor-
pedowesens eingehend gewürdigt werden muss.
Schätzenswerte Beiträge zur Kenntnis des Waf-
fenwesens liefert auch die Waffenübung im Frieden,
vorzugsweise die Ausbildung des Kriegers im Waffen-
dienste. Hierher gehört der Dienst auf dem Schei-
benstand, das Exerzieren mit der Waffe, das Fechten
zu Fuss und zu Pferde. Hierher dürften aber auch
waffentechnische Behörden, deren Versuche und
Organisation zu rechnen sein, sowie das waffentech-
nische Unterrichtswesen und seine Erfolge. Höchst
wichtig für die Kulturgeschichte sind die Kampf-
spiele aller Zeiten, die Turniere und ihre Fortsetzung,
der Fechtsport, sowie das Duell. Einiges Interesse
können auch die Schützengilden beanspruchen, da
sie dem Bürger den Umgang mit der Waffe ver-
traut machten, ebenso der Jagdsport mit seinen zum
Teil ihm eigentümlichen Waffen.
Ueber Gegenstände dieses Abschnittes ist zwar
in der Kriegsgeschichte, der Uniform- und Heeres-
kunde schon recht viel veröffentlicht worden, in-
dessen ist dabei die Waffe als Grundlage der
Ausrüstung, Heeresorganisation und Taktik zu wenig
in den Vordergrund gerückt worden. Auf
diesem Gebiete ist in erster Linie der taktisch ein-
gehend vorgebildete Offizier, der Kriegsakade-
miker zu erfolgreichster Thätigkeit berufen. Gerade
in der neuesten Zeit hat die Verbesserung der Waffe
in kurzen Zwischenräumen zu fast vollständigen Um-
wälzungen der Taktik, z. T. auch der Organisationen
geführt, die Entwickelung derselben aus den Eigen-
schaften der Waffe heraus wird heute an den höhe-
ren Militärschulen zum Gegenstände ganz besonderen
Studiums gemacht, welches auch auf frühere Zeiten
auszudehnen, dem einzelnen anregend genug sein
dürfte.
Als dritter Hauptabschnitt wäre das Zeug-
wesen zu betrachten, d. h. die Einrichtungen zur
Erzeugung, Verwaltung und Erhaltung von Waffen.
Hier sind unabhängig von der Technik die
Waffenfabriken nach Organisation, Umfang und Lei-
stungsfähigkeit zu besprechen, ferner der Lebensgang
von Männern, die sich auf dem Gebiete der Waffen-
technik besonders ausgezeichnet haben, z. B. Stück-
giesser, Schwertfeger u. dergl. Von Wichtigkeit ist
es auch, die sociale Stellung dieser Leute kennen
zu lernen, das Wesen und die Gebräuche der ver-
schiedenen, hierher gehörigen Zünfte im Rahmen
der übrigen, sowie die Vorrechte, deren sich z. B.
die Büchsenmeister zu erfreuen hatten. Im An-
schluss hieran bedarf das Zeugwesen der Fürsten
und Städte der Betrachtung, die Errichtung und
Unterhaltung der verschiedenen Zeughäuser und
Waffenniederlagen, ihre Verwaltung und Ergänzung.
Hierher gehören auch die Waffensammlungen und

Rüstkammern in Staats- und Privatbesitz nach Ent-
stehung, Umfang und Zielen; die Geschichte einzel-
ner Stücke in breitestem Rahmen wird besonders
interessant sein. Aus der Sammlungstechnik wird
u. a. die Frage der Konservierung von Waffen be-
sprochen werden müssen, auch wird zu erörtern
sein, inwieweit und auf welche Weise die Waffen-
sammlungen und die Waffenkunde überhaupt zum
Unterricht an den Militärschulen heranzuziehen sind.
Schliesslich spielt der Geldwert der Waffe eine nicht
unbedeutende Rolle, bilden doch gerade die Zeug-
rechnungen der Städte eine Hauptquelle der Nach-
richten über das Waffenwesen. Der relative Preis
einer Waffe wird stets einen einwandfreien Schluss
auf ihre Wertschätzung in der betreffenden Zeit zu-
lassen.
Auf diesem Gebiete liegen vereinzelt bereits
Arbeiten vor, zerstreute Angaben sind vielfach vor-
handen, indessen ist ein abgerundetes Bild des Zeug-
wesens wohl noch für keinen Zeitabschnitt gewonnen.
Es sei hier von der Einzelwaffe vollkommen abge-
sehen und das Waffenwesen als Ganzes in seiner
Beziehung zu Industrie und Gewerbe, zur Kommunal-
und Staatsverwaltung, zur Stadt- und Landesvertei-
digung betrachtet. Die Bearbeitung dieses für die
historische Waffenkunde so überaus wichtigen Gegen-
standes dürfte in erster Linie dem Kulturhistoriker
zufallen, welcher in der Lage ist, der Waffe den
ihr gebührenden Platz im Rahmen des Bürgertums
u. s. w. anzuweisen. Aber auch der Offizier wird
sich hier vielfach bethätigen können. Geschichte
und Verwaltungs-Technik der Sammlungen fallen
naturgemäss in das Gebiet des in diesem Fache
thätigen Kunstgelehrten.
Der vierte Hauptabschnitt wird sich mit den
Beziehungen derWaffezu den weiteren Kreisen
der Bevölkerung, beschäftigen müssen.
Zunächst werden Betrachtungen anzustellen sein,
in welch verschiedener Weise sich die Wertschätzung
der Waffe überhaupt, sowie einzelner besonderer
Arten und Stücke bei den Völkern äussert, auf die
Waffen bezügliche Sitten und Gebräuche werden zu
schildern sein. Je höher die Wertschätzung der
Waffe, um so häufiger wird sie als Geschenkartikel
Verwendung finden, die sich hierbei äussernden An-
schauungen und Gebräuche dürften viel Interessantes
bieten. Einen Massstab, wie weit das Interesse an
der Waffe in das Volk gedrungen, bilden die Spiele
der Kinder mit der Waffe, die Waffe als Spielzeug darf
daher der Betrachtung nicht unwert erachtet werden.
Auch Waffendekorationen an Gebäuden und Denk-
mälern u. s. w. als ständiger Schmuck gehören hier-
her. Das Waffentragen ist bei den meisten Völkern
üblich, entweder allgemein oder nur als Vorrecht
besonderer Bevölkerungsklassen, die bezüglichen
Sitten und Anschauungen, die Verbote des Waffen-
tragens u. s. w. werden wichtige Quellen für die
Bedeutung der Waffe bilden. Schliesslich darf auch
die Waffe als Mordwerkzeug nicht unerörtert bleiben,
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