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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 7
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Erben, Wilhelm: Noch einige Worte über Fringia, Genoa und Sichelmarke
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0290
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274

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.

rinnen und der eigentümlichen Austeilung an jener
Stelle, wo der Rücken der Klinge in die zwei-
schneidige Feder übergeht) mit dem Hinweis auf
die ausgezeichneten Worte antworten, mit welchen
v. Ehrenthal seine Untersuchung über die genuesi-
schen Klingen eingeleitet hat. In voller Klarheit
ist es dort (S. 25 dieses Bandes) ausgesprochen,
dass «die besonderen Eigentümlichkeiten», welche
die Klingen eines Landes aufzuweisen haben, keine
unbedingt zuverlässige Handhabe zur Herkunfts-
bestimmung darbieten «weil fast alle in einem be-
stimmten Lande hergestellten Waffen, sobald sie
Renommee und Beliebtheit gewonnen hatten, an
anderen Orten sehr bald Nachahmung fanden und
zwar häufig in solcher Vollkommenheit, dass die
Imitationen von den Originalen kaum noch zu unter-
scheiden wären, wenn nicht in der Regel die Meister-
marke ihre Herkunft verriete». Fehlt es also an
einer auf sichere Fährte führenden Meistermarke,
dann kann aus dem Typus allein die Provenienz
nicht mit Bestimmtheit erschlossen werden — oder,
um auf den besonderen Fall zurückzukommen: Klingen
von italienischem Typus, die mit Genoa bezeichnet
sind, brauchen keineswegs in Genua oder in Italien
überhaupt entstanden zu sein. Wer sich entschloss,
die Marke, hier also den Namen der Stadt, an
anderen Orten, genau oder auch in etwas abgeänderter
F'orm des Wortes für seine Fabrikate anzuwenden,
der kann es auch verstanden haben, ihnen das Aus-
sehen der Genuesischen Waffen zu geben.
Dieses grössere oder geringere Vertrauen gegen-
über der eingeschlagenen Klingeninschrift ist es,
worin ich von den Herren v. Ehrenthal und Dr.
Petzsch ab weiche und ich glaube, dass die grösste
Vorsicht in dieser Plinsicht deshalb geboten ist, weil
nur das Zusammentreffen von Genoa und Sichcl-
maike den Ausgangspunkt für die Deutung der
Sichelmarke als einer genuesischen Ortsmarke bildet.
Sind jene Genoa-Klingen, auf denen zugleich die
Sichel zu sehen ist, nicht echt genuesisches Er-
zeugnis, sondern Nachahmung, dann entfällt jeder
Grund, die Sichel als genuesisches Zeichen anzu-
sprechen. Denn nur auf Grund ihres Zusammen-
treffens mit der Sichelmarkc hat v. Ehrenthal (oben
S. 26) mehrere Zeichen, die bisher als bellunesisch,
brescianisch und mailändisch galten, der Stadt Genua
zugeschrieben. Nach Petzsch, S. 219, soll Boeheim
die eine dieser Marken, die auf der «Wehr Kaiser
Karls.IV.» vorkommt, als «vermutlich brescianisch»
bezeichnet haben; in seinem Handbuch der Waffen-
kunde, S. 676, hat sie Boeheim jedoch einem
«Belluneser Meister des 14. Jahrhunderts» zuge-
schrieben und auf Belluno wird sie auch noch in
der 3. Auflage des Führers durch das historische
Museum zu Dresden, S. 8, No. 30, bezogen. Cronau
hingegen hat sie unbedenklich zu den Solinger
Klingenzeichen gerechnet1) — also Vermutung
Cronau, Geschichte der Solinger Klingenindusliie
(Stuttgart 1885), Tafel I, Fig. 26.

gegen Vermutung, so dass nicht einmal die von
Petzsch gezogene Folgerung, «also italienisch», ge-
sichert erscheint.
Die Beachtung der Marken wird ohne Zweifel
stets eines der wichtigsten Hilfsmittel für alle auf
die Flerkunftsbestimmung der Waffen gerichteten
Bestrebungen bleiben. Aber sie allein genügt nicht.
Mehr als irgend ein Produkt menschlichen Kunst-
fleisses trägt seit alters her die Waffe den Wander-
trieb in sich. Nicht nur der Handel, auch der
Gebrauch selbst führt sie hinweg von ihrem Ent-
stehungsort in fremde Länder, und je mehr sie sich
auf diesen Wegen siegreich die Welt erobert, um
so mehr verlieren die Anzeichen des lokalen Ur-
sprungs ihre Beweiskraft. Nicht nur der Typus,
auch die Marke selbst wird an fremden Orten nach-
geahmt. So sieht sich die historische Waffenkunde
vor Schwierigkeiten und Täuschungen gestellt, die
1 auf andern Zweigen der Altertumsforschung nur in
weit geringerem Maasse auftreten. Wahren Nutzen
vermag daher die Feststellung der Waffenschmiede-
Marken nur dann zu bringen, wenn sich ihr schrift-
liche Quellen, Zunftbücher, in denen die Meister-
marken verzeichnet und mit Namen erklärt sind,
Urkunden, durch welche ihr Gebrauch geregelt wird
oder endlich Inventare und Rechnungen beigesellen,
welche über die Waffen einer bestimmten Sammlung
ausreichendes Licht verbreiten.
Der hohe Wert der Inventare des historischen
Museums zu Dresden, in welche ich selbst vor vier
Jahren durch die Güte des Direktors v. Ehrenthal
flüchtigen Einblick nehmen durfte, soll nun keines-
wegs bestritten werden. Niemand weiss besser die
Kostbarkeit solcher Verzeichnisse zu würdigen als
derjenige, welcher bei der Durcharbeitung der eigenen
Sammlung Schritt für Schritt den Mangel älterer Be-
glaubigung zu beklagen hat. Aber der Wert der
Dresdener Inventare liegt doch zumeist darin, dass
wir erfahren, wer diese oder jene Waffe getragen,
dpreh wessen Schenkung sie in kurfürstlichen Besitz
gekommen ist. In einigen Fällen reichen ihre An-
gaben wohl bis an den Erzeuger selbst hinauf, aber
dies trifft gerade bei den hier in Betracht kommen-
den Waffen nicht zu. So gewinnen wir für drei
der von P. (oben S. 218 f.) abgcbildeten und be-
sprochenen Klingen sehr schätzbare zeitliche Gren-
zen, aber nur in einem dieser drei Fälle lässt sich
die Spur bis nach Italien zurück verfolgen; wo das
von Popel v. Lobkowitz geschenkte Schwert und der
von Fabian v. Schönaich getragene Säbel erzeugt
sind, darüber besagen die Inventare nichts, über
das wichtigste Stück, jenen Säbel, der auf der Klinge
Genova und die Sichelmarke nebeneinander aufweist,
bieten sie offenbar gar keinen Aufschluss und auch
die Nachricht, dass die eine Waffe durch Carlo Teti
aus Italien mitgebracht sei, würde an sich noch
keineswegs beweisen, dass sie dort erzeugt sei.
Diesen Dresdener Inventuren stehen die Verzeich-
nisse und Rechnungen des Landeszeughauses in Graz
 
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