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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 7
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Erben, Wilhelm: Noch einige Worte über Fringia, Genoa und Sichelmarke
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0291
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7. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

275

im vorliegenden Fall als eine ungleich wichtigere
Quelle gegenüber. P. hat nicht beachtet, dass
die ältesten bekannten Grazer Inventare, jenes von
1568 und ein zweites, das um 1570 angelegt ist,
gar keine blanken Waffen aufweisen, dass also die
Anschaffung von Säbeln, Schwertern und Klingen
aus Landesmitteln überhaupt erst in den Siebziger
Jahren des 16. Jahrhunderts begonnen zu haben
scheint — eine Erscheinung, welche in dem Fehlen
der blanken Waffen in anderen älteren Zeughaus-
inventaren ihr beglaubigendes Seitenstück findet.1)
Hat nun die zu Anfang des Jahres 1578 erfolgte
Uebertragung der Grenzverteidigung an Erzherzog
Karl, den Regenten der innerösterreichischen Län-
der, eine neue Epoche des Wehrwesens in der Steier-
mark und ihren Nebenländern eingeleitet, so ge-
winnt die Annahme an Kraft, dass wir in den seit
1577 bekannten Zuwachsverzeichnissen des Landes-
zeughauses dessen vollständigen Bestand an blanken
Waffen zu erblicken haben, und ist dem so, dann
müssen die thatsächlich vorhandenen 367 Klingen
mit Sichelmarke, wie ich schon gesagt, in Steier-
mark, Neustadt oder Passau erzeugt sein. P. meint
nun freilich einen Ausweg gefunden zu haben,
auf dem er die Beweiskraft dieser Schlussfolgerungen
— welche für die Hypothese von der genuesischen
Bedeutung der Sichel so gefährlich sind — abzu-
schwächen vermöchte. Er bemerkt gleich in den
ersten Jahren unter den Eingängen im Landeszeug-
hause: '<291 wolhisch (welsche) Klingen, 327 Sabl
auf Ungrisch, 265 wallisch Rappier und anderes? und
nimmt an, dass diese Waffen steirische (oder öster-
reichische) Imitationen der fremden Typen gewesen
seien. Bei den «Säbeln auf Ungrisch? trifft das
gewiss zu, bei den 29X welschen Klingen aber
nicht, denn es lässt sich bei der Identität der Zahl
nicht bezweifeln, dass sie mit den 291 welschen
Rapierklingen identisch sind, welche nach einer
andern ausführlicheren Notiz von Lokatel in Gemona
(Khlamaun), also von Friaul her eingeliefert wurden.2)

*) Die Zeugbücher Kaiser Maximilians I. enthalten be-
kanntlich Geschütze und sonstige Feuerwaffen, dann Munition
und Stangenwaffen, aber keinerlei Seitenwaffen. Auch die
Rechnungen des kaiserl. Hauptzeugamtes von 1658 —1664 (im
Besitz des Heeres-Museums) berücksichtigen die Seitenwaffen
nicht. Ganz dasselbe Verhältnis lassen die von Uhlirü in
den Berichten und Mitteilungen des Altertums-Vereines zu
Wien, Bd. 27—31, veröffentlichten Auszüge aus den Kämmerei-
Rechnungen der Stadt Wien erkennen, welche von 1426 bis
1648 reichen und vom Herausgeber mit Notizen aus den Stadt-
büchern von 1396 bis 1430 ergänzt sind. Das Schwert gehört
hier zu dem ständigen Besitz des einzelnen Bürgers, aber
die Stadt findet zunächst kein Bedürfnis, einen Bestand an
blanken Waffen in ihrem Zeughaus anzusammeln. Erst in
den Sechziger und Siebziger Jahren des 16. Jahrhunderts er-
scheinen Schlachtschwerter in städtischem Besitz; es waren
wohl zumeist solche Stücke, die gelegentlich, etwa von durch-
ziehenden Landsknechten, zusammen mit anderen Waffen er-
worben wurden.
2) Die 291 wolhisch Klingen sollen allerdings 1579, die
291 welschen Rapierklingen aus Gemona schon 1578 ein-
geliefert sein. Aber wer die betreffenden Stellen bei Pichler

Handelt es sich also bei diesen 291 welschen Klingen
um Rapierklingen, so ist ganz ausgeschlossen, dass
dies die noch heute im Zeughaus vorhandenen
Säbelklingen mit Genova und Sichelmarke wären,
wie P. angenommen hat. Diese Säbelklingen müssen
daher unter den in Steiermark, Neustadt oder
Passau angeschafften gesucht werden und sie sind
in den Rechnungen durchaus nicht als Imitationen
italienischer Waffen gekennzeichnet. Dadurch und
durch die von P. selbst nun neuerlich herangezogene
Neustädter Sichelmarken-Klinge von 1587 gewinnen
wir für die Deutung der Sichelmarke so festen
Boden, dass dem gegenüber alle bisher zu Gunsten
der genuesischen Herkunft dieses Zeichens ange-
führten Argumente gar nicht ins Gewicht fallen.
Ich gehe nun nicht so weit, wie man nach P. ver-
muten könnte, dass ich deshalb alle mit der Sichel-
marke bezeichneten Klingen für steirisch oder neu-
städtisch halten würde, aber ich glaube im Recht
zu sein, wenn ich aus dieser Sachlage die metho-
dische Folgerung ziehe, dass bei allen Klingen dieser
Art in erster Linie an steirische (oder neustädter)
Herkunft gedacht werden muss. Es mag Aus-
nahmen geben, die Forschung aber muss von dem
sicheren Boden ausgehen und darf ihn nur dann
verlassen, wenn zwingende Gründe dazu nötigen.
Sicher aber ist nach dem Gesagten, dass die
Sichelmarke in Steiermark oder Oesterreich ver-
breitet war; ob sie darüber hinaus auch vorkommt,
das wird erst von Fall zu Fall erwiesen werden
müssen.
Diese Schlüsse werden durch die Besichtigung
der im Grazer Zeughaus verwahrten Klingen kaum
wesentlich erschüttert werden können. Trotzdem
stehe auch ich nicht an, eine solche eingehendere
Untersuchung des dort erhaltenen einschlägigen
Materials und überhaupt eine Weiterführung der
Forschungen, zu denen Professor Pichler und Graf
Meran in so vortrefflicher Weise den Grund gelegt
haben, als höchst wünschenswert, ja als eine der
wichtigsten Vorbedingungen für ein erfolgreiches
Studium der Kriegswaffen des 16. und 17. Jahr-
hunderts zu erklären. Es wird nicht viele Orte
geben, an denen das unveränderte Fortbestehen
einer Waffensammlung und die Erhaltung und wissen-
schaftliche Zugänglichkeit der auf die Sammlung
bezüglichen Archivalien dem Forscher so günstige
Resultate verheissen, wie es in Graz der Fall ist.
Jene beiden Männer haben die Bahn gebrochen,

S. io6f. aufmerksam liest, kann nicht verkennen, dass die
erstangefiihrte nur eine Zusammenfassung der Erwerbungen
von 1577—1579 bietet, welche sich (wenn sie genau wären)
mit der Summe der weiter unten folgenden Detailposten aus
jenen Jahren decken müsste. Solange also nicht auf Grund
der Handschriften das Gegenteil erwiesen wird, müssen die
291 wolhisch Klingen als identisch mit den 291 Rapierklingen
aus Gemona angesehen und muss die Verschiedenheit der
Jahreszahl durch einen Fehler oder eine verschiedene Art
der Rechnungsführung erklärt werden.
 
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