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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 9
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Sixl, P.: Zur Geschichte des Schiesswesens der Infanterie: Vortrag gehalten im militär-wissenschaftlichen Vereine zu Kaschau im Wintersemester 1900/01
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0347
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9. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

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in festlicher Weise das Vogelschiessen mit der
Armbrust, wobei nach althergebrachter Sitte der
König in feierlichster Weise eingeholt wird.1)
Wo man Gelegenheit hatte, das Vogelschiessen
auch mit dem Feuergewehr zu betreiben, dort be-
hielt es seine ursprüngliche ernste Bedeutung,
Ludwig XIV. liess für das Vogelschiessen Me-
daillen verteilen, welche auf der einen Seite das
Bild des Königs, auf der Rückseite einen Schützen
mit Gewehr zeigen, der nach einem Stangenvogel
schiesst; die charakteristische lateinische Umschrift
lautet: «Sic sternere discimus hostem».2)
Auch in militärischen Kreisen wurde das Vogel-
schiessen hoch vor kurzer Zeit betrieben, wie eine
Notiz der «Allgemeinen Militär-Zeitung» vom 13. Sep-
tember 1845 berichtet. Dieselbe lautet:
«Gestern Nachmittag zogen die besten Schützen
jeder Kompagnie von den Grenadieren und Füsi-
lieren des hiesigen ersten Garde-Regiments zu Fuss,
mit vorausgetragenen bekränzten Scheiben und voller
Regimentsmusik zum Brandenburger Thor hinaus nach
ihren Schiessständen im Katharinenholze. Dort waren
zwei Vogelstangen errichtet; nach dem einen Vogel
schossen die Gemeinen, nach dem anderen die
Unteroffiziere. Jedes herabgeschossene Stück FIölz
wurde den Schützen nach dem Gewichte bezahlt.
Ausserdem erhielten die glücklichen Gewinner be-
deutende Prämien an Silber, Uhren u. s. w. und wur-
den von dem Regimente gegen 9 Uhr abends feier-
lich eingeholt. Unter dem Züströmen von zahllosen
Zuschauern wurden die'Sieger von jeder Kompagnie
mit Eichenlaub . geschmückt, vor derselben her-
geführt. »
Es ist sehr wahrscheinlich, dass auch bei an-
deren Truppenteilen das Vogelschiessen in ähnlicher
Weise betrieben wurde.
Hochentwickelt war die Schiesskunst mit dem
Bogen bei den Völkern der alten Welt; das Schiessen
mit dem Bogen verlangte zweifellos eine ungleich
grössere Uebung und Geschicklichkeit, als das
Schiessen mit der Armbrust oder mit dem Feuer-
gewehr.
Bei den Chinesen wurden jährlich grosse Schiess-
feste abgehalten, an welchen der Kaiser und die
Grossen des Reiches teilnahmen; als Ziele wurden
Vögel, Holzblöcke oder Felle von Raubtieren auf-
gestellt. Bei einzelnen SchieSsübungen spielte die
Musik eine bestimmte Melodie, während derselben
musste der Schütze laden und den Schuss ab-
geben. 3)
Das Uebungsschiessen mit dem Bogen würde
infolge des grossen Verbrauches an Pfeilen sehr
kostspielig; die chinesischen Soldaten schossen da-
her zur Schonung der Pfeile gegen ein mit Sand
^ Professor Paudler, Die Bogenschützengesellschaft
in Böhmisch-Leipa. 1881.
2) L.-A. Delaunay, I. 36.
3) Plath, Das Kriegswesen der alten Chinesen. Sitzungs-
berichte der königl. bayer. Akademie der Wissenschaften.
Phil.-Kl. 1872.

gefülltes Holzfass, wobei man überdies die Kraft
des Schusses an der Eindringungstiefe messen konnte;
ähnlich machten es die Perser, die Inder u. s. w.*)
Bei den Römern wurde das Schiesswesen wenig
gepflegt; es genügte ihnen das Pilum und zum
Nachhauen das kurze Schwert; wohl aber nahmen sie
seit dem zweiten punischen Kriege Schützen in Sold.
Im späteren Mittelalter werden die flinken
ungarischen berittenen Schützen und ganz besonders
die englischen Bogenschützen berühmt, welch letz-
tere noch im 17. Jahrhundert im Felde erscheinen.
Als die Armbrust zur allgemeinen Verbreitung
kam, waren die genuesischen Armbrustschützen ob
ihrer grossen Schiessfertigkeit, welche sie durch das
ganze 14. Jahrhundert behaupteten, sehr gesucht.
Die Armbrust blieb noch im 15. Jahrhundert eine
vollwertige kriegsbrauchbare Handschiesswaffe; im
Anschlag zu Frankfurt wider die Türken vom Jahre
1454 sollte «des obgeschriebenen f'ussvolks der
Drittel Schützen sein, halb mit Hakenbüchsen, halb
mit Armbrüsten».
Das Uebungsschiessen mit der Armbrust wurde
fleissig betrieben, insbesondere bei den regelmässigen
Schiessübungen der Schützengilden und Schützen-
vereine.
Wie einfach eine Schiesstätte für das Schiessen mit
der Armbrust einge-
richtet sein konnte,
zeigt das mittelalter-
liche Hausbuch auf
Tafel 12. Fig. 3.®)
Eine kleine kreis-
rundehölzern eSchei-
be ist an einer, oben
geschützten Holz-
wand befestigt, vor


Fig. 3. Uebungsschiessen mit der Armbrust.
(Mittelalterliches Hausbuch.)
4) Dr. Freiherr Hammer-Purgställ, Ueber Bogen
und Pfeil, den Gebrauch und die Verfertigung derselben bei
den Arabern und Türken. Denkschriften der phil.-histor.
Klasse der kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Wien
1852. II.
6) «Mittelalterliches Hausbuch», Bilderhandschrift aus
dem 15. Jahrhundert. — Herausgegeben vom Germanischen
Museum. Leipzig 1866.

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