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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 9
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0375
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9. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

357


Ein Besuch in der Werkstätte eines Fälschers aller
Waffen. Von Dr. Othmar Freiherrn Potier (Archiv für
Kriminal - Anthropologie und Kriminalistik. Verlag von
F. C. W. Vogel in Leipzig).
Auf diese im vorigen Jahrgang der genannten Zeit-
schrift erschienene Abhandlung seien die Freunde der histo-
rischen Waffenkunde ganz besonders aufmerksam gemacht.
Der als einer der tüchtigsten Fachgelehrten bekannte Ver-
fasser bespricht hier an der Hand von Beispielen die von
dem Fälscher angewendeten Mittel,, um modernen Fabrikaten
das Aussehen alter oder älterer Objekte zu geben, in anregen-
der und beinahe erschöpfender Weise werden die im Handel
bei den verschiedenen Schutz- und Trutzwaffen vorkommen-
den Nachahmungen , bezw. Ergänzungen oder Zusammen-
stellungen aufgeführt. Da weder Paul Eudel (Die Fälscher-
künste. Leipzig 1885) noch Wendelin Boeheim (Handbuch
der Waffenkunde, S. 572ff. Leipzig 1899) sich so gründlich
mit dem Thema befasst haben, wie Baron Potier, so dürfte
dessen Abhandlung besonders Sammlern alter Waffen hoch-
willkommen sein. Denn diese lernen hierdurch die Schleich-
wege, welche der Fälscher wandelt, wenigstens theoretisch
kennen und sind dadurch in die Lage versetzt, die ihnen
zum Kauf angebotenen Objekte auf gedachte Merkmale hin
zu prüfen. Freilich wird, wie der Verfasser richtig be-
merkt, trotz der Kenntnis der am häufigsten vorkommenden
Fälscherkniffe mancher Sammler, und unter ihnen vielleicht
gerade die tüchtigsten Theoretiker, nach wie vor von einem
schlauen Händler getäuscht werden. Denn man hat es heut-
zutage nicht mit Fälschungen zu thun, die jeder Fachmann als
solche erkennen muss, wie noch vor 20 Jahren, sondern mit
Objekten, die so täuschend nach- und altgemacht sind, dass
schon ein sehr gut geschultes Auge in Verbindung mit natür-
licher Beanlagung, oder, wie Baron Potier sagt, ein instink-
tives Gefühl dazu gehört, um Imitationen von Originalen zu
unterscheiden.
Des weiteren weist der Verfasser darauf hin, wie
schwer es sei, dem Verkäufer von Fälschungen die Ab-
sichtlichkeit eines Betruges nachzuweisen. Denn einmal
hüte sich dieser wohl, die Echtheit fraglicher Stücke zu
garantieren, das andere Mal aber befänden sich jene meist
schon in zweiter oder in dritter Hand, bevor sie auf den
Markt kämen, so dass es nur in seltenen Fällen möglich sei,
die Fäden, die vom Verkäufer zum Verfertiger fuhren, auf-
zufinden und das Einverständnis aller Beteiligten in Verbin-
dung mit einer betrügerischen Absicht festzustellen. Sei
aber ein derartiger Fall vor Gericht anhängig und hierbei
das Gutachten eines Sachverständigen über Echtheit oder
Unechtheit von Waffen erforderlich, so empfiehlt Baron
Potier dem Richter, sich nicht an einen Händler, sondern
an den Vorstand eines Waffenmuseums und, wenn ein solcher
nicht am Platze oder in der Nähe aufhältlich ist, an den
«Verein für historische Waffenkunde in Dresden» zu wenden,
der stets in der Lage sein werde, eines seiner Mitglieder als
Experten zu empfehlen.
Es möge mir gestattet sein, im Anschluss an diese Be-
sprechung auf eine besondere Art von Eälschungen hinzu-
weisen, mit der ich erst in den letzen Jahren bekannt ge-
wordenbin, nämlich auf Nachahmungen ausgegrabener
mittelalterlicher Helme. Ich meine natürlich nicht jene
Imitationen, die schon früher im Handel vorgekömmen und
als Fälschungen unschwer erkennbar sind, sondern Helme,
die nach guten Vorbildern völlig korrekt in der Form
hergestellt, durch ein neues Verfahren mit einer dünnen,

schokoladenfarbenen Kruste überzogen sind, so dass sie zu-
nächst einen ganz vertrauenerweckenden Eindruck machen.
Erst bei genauerer Betrachtung erscheint es auffällig, dass
sich die Oxydation völlig gleichmässig Uber die ganze Helm-
oberfläche erstreckt, ohne, wie bei anderen Ausgrabungen
Stellen, die mehr, und solche, die weniger unter dem Ein-
flüsse der Oxydation gelitten, oder aber Verbindungen zwischen
Rost , und Erdteilchen aufzuweisen. Tiefere Rostnarben, wie
sie unter allen Umständen bei ausgegrabenen Waffen Vor-
kommen müssten, fehlen an den fraglichen Helmen gänzlich.
Etwaigen Bedenken gegen diese ungewöhnliche Erscheinung
beugt der Verkäufer durch die Bemerkung vor, die gute Er-
haltung des Helmes sei wohl dem Umstande zu verdanken,
dass derselbe in einer Schicht von Thonerde aufgefunden
worden sei. Die Frage, wie ein einzelner Helm mehrere
Meter tief gerade in eine Schicht von Thonerde hinein-
gekommen ist, dürfte allerdings der geriebenste Händler
nicht glaubwürdig beantworten können.
Der erste nach gedachtem Verfahren alt gemachte
Helm, mit dem ich Bekanntschaft machte, war ein Schallern
von der Gestalt jener Hauptbedeckungen um die Mitte des
15. Jahrhunderts. Gegen Form, Ausführung, Vernietung und
Gewicht liess sich nichts einwenden. Der dafür gezahlte
Preis — 2100 Mark — war zwar mässig, lag indes nicht so
ausserhalb der gewöhnlichen Bewertung solcher Stücke, dass
man daraus einen ernsten Verdacht hätte schöpfen müssen.
Lediglich die völlig gleichmässige Oxydation erschien auf-
fällig. Eine derartige Patinierung war mir noch nicht vor-
gekommen; weder an Waffen, die Jahrhunderte lang in der
Erde, noch an solchen, die im Wasser gelegen oder an an-
deren, die vergessen und verwahrlost in irgend einem feuchten
Winkel gestanden hatten. Alle mir bekannten Ausgrabungen
zeigen im Gegensätze zu den Schallern tiefe Rostnarben,
ein Umstand, der sich daraus erklärt, dass trotz der sorg-
fältigen Schmiedearbeit und Politur eine völlig gleichmässige
Härtung des Stahles nicht vorkommt und dass ferner die
Stoffe und Säuren, die auf die Zerstörung des Metalles ein-
wirken , ebenfalls nicht gleichmässig Uber die Oberfläche
einer solchen Waffe verteilt sind. Es wurde nun mit Ein-
willigung des Käufers die Patinakruste an einer Stelle vor-
sichtig entfernt, worauf sich durch genaue Untersuchung er-
gab, dass man eine natürliche Oxydation, die Jahrhunderte
lang auf das Stück eingewirkt hatte, nicht vor sich haben
konnte, weil die Beschädigung des Metalles unter der
Kruste nur ähnliche Merkmale zeigte, wie bei dessen Be-
handlung mit Säuren, und ferner, weil der Schallern aus
modernem Walzeisen geschmiedet war. Leider habe ich
verabsäumt, die «Patina» an gedachtem Schallern chemisch
analysieren zu lassen, wodurch wichtige Anhaltspunkte für
das dabei angewendete Verfahren wie für die Bestimmung
ähnlicher Fälschungen gewonnen worden wären. Zu den mir
später noch vor Augen gekommenen Fälschungen derselben
Kategorie gehörten eine Hundsgugl und ein Topfhelm,
beide von der Form, wie sie an Originalen aus der zweiten
Hälfte des 14. Jahrhunderts bekannt ist. Es handelte sich
sonach abermals um Objekte, bei denen sich die Arbeit, vor-
ausgesetzt, dass siegelang, lohnte. In Bezug auf seine Form
war gegen das zuerst genannte Stück nichts einzuwenden,
doch verrieten hier Schmiedefehler am Scheitel sowohl als
an der vorspringenden Spitze des Visiers die moderne Her-
kunft. An beiden Stellen hatte nämlich das Geschick des
Schmiedes aus dem 19. Jahrhundert versagt, die Platte von
Walzeisen so in die Spitze zu treiben, wie es der alte Waffen-
schmied verstand. Es waren kleine Löcher entstanden, denen
zwar der Fälscher durch Lötung das Ansehen von Gebrauchs-
spuren hatte geben wollen, ein Unterfangen, das aber höch-
stens einen Anfänger zu täuschen vermocht hätte. In der
Erkenntnis, dass das Werk nicht völlig gelungen, betrug der
Preis auch nur den siebenten oder achten Teil desjenigen, den
eine echte Hundsgugl gekostet haben würde, nämlich 700 Mk.
Das dritte Stück, ein Topfhelm, war dagegen wieder
ein «Meisterwerk der Fälscherkunst». Tadellos in der Form
 
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