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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 10
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Rose, Walther: Die Bedeutung des gotischen Streitkolbens als Waffe und als Würdezeichen
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0380
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3Öo

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.

Nr. 6 hat einen Kopf mit Eichelspitze und sechs
nach der Mitte eckig ausladenden und geschwungenen
Schlagblättern, welche ausgezackt und in Sternform
durchbrochen sind. Der Schaft ist gedreht, der ge-
kerbte Handteller mit Loch für den Faustriemen.
Gesamtlänge: 49 cm. — Gewicht: 1 kg.
Nr. 7 und Nr. 8 sind in der Form einander
sehr ähnlich. Der Kopf des gedrehten Schaftes mit
sechs grossen Schlagblättern von ovaler Form mit
Auskehlungen und Durchbrechungen. Die Spitze
eichelförmig, der Handteller rund bezw. sechskantig
und zierlich durchbrochen, mit Loch für den Faust-
riemen.
Gesamtlänge: 45 bezw. 49cm.—-Gewicht:
je 0,760 kg.
Nr. 9 besitzt einen Kopf mit gedrehter Spitze
und sechs Schlagblättern in Gestalt der Nr. 7
und 8. Der mit spiralförmigen Einkerbungen ver-
zierte Schaft nebst dem Griff aus einer einzigen
starken und hohlen Stahlrohre bestehend, an welcher
der vielfach durchlöcherte Handgriff durch gekerbte
runde Wulste abgeteilt ist.
Gesamtlänge: 42 cm. -—- Gewicht: 0,760kg.
Nr. 10 hat einen Kopf mit sechs Schlagblättern
von oben ovaler und durchbrochener, in der Mitte
halbmondähnlich ausgezackter Form. Der mit spiral-
förmigen Einkerbungen verzierte Schaft sowie der
Griff ebenfalls wie Nr. 9 aus einer einzigen hohlen
Stahlrohre bestehend, wobei jedoch der durch ge-
kerbte runde Wulste abgeteilte Flandgriff durch ein
dickes, schlangenartig sich herumwickelndes Eisen-
band geschmückt ist.
Gesamtlänge: 45 cm. — Gewicht: 1 kg.
N r. 11 endlich zeigt einen kleinen runden Kopf
nach Art eines Morgensterns mit zehn kurzen stumpfen
Stahlspitzen. Der Schaft kunstvoll zweimal abwechselnd
vierkantig und rautenförmig mit Auskehlungen ge-
schmiedet. Für den Faustriemen ist hier das untere
Ende des Schaftes selbst durchlocht. Der Fland-
teller in Lilienform ausgezackt und durchbrochen.
Es ist dies ein zierliches, an italienische Motive
erinnerndes Stück.
Gesamtlänge: 50cm. — Gewicht: 0,600kg.
Sämtliche Exemplare, welche aus der Umgegend
von Ulm stammen, bestehen aus blankem Stahl
bezw. härtestem Eisen und zeigen mit Ausnahme
der Nr. 11 an den Köpfen, zum Teil auch an den
Schäften die Spuren ehemaliger reicher Verkupferung,
was einen überaus farbenprächtigen Eindruck ge-
währt.
Trotz der Mannigfaltigkeit der einzelnen Formen
und der Verschiedenheit der Länge — von 62 bis
42 cm — ist doch die Aehnlichkeit des Gewichts auf-
fallend, welches bei zwei Exemplaren je 1,600 kg,
bei zwei anderen je 1 kg und bei fünf je 0,760 kg
beträgt.
Die unter Nr. I und 2 genannten schweren
Kolben, denen in der äusseren Form Nr. 3 gleicht,

stellen in ihrer rein gotischen Gliederung das Proto-
typ des gemeinen deutschen Ivürissbengels dar. Es
ist dies jene Form, welche am meisten ihrem eigent-
lichen Zweck entspricht, nämlich um den immer
mehr in Aufnahme kommenden und für eine Schwert-
oder Beilschneide fast undurchdringlichen Platten-
harnischen gegenüber als geeignete Angriffswaffe zu
dienen.
Ein kräftiger Hieb mit einem solchen, ganz aus
Stahl bestehenden und infolge der starken Schlag-
blätter ein bedeutendes Uebergewicht besitzenden
Kiirissbengel musste beim Aufschlagen der stumpfen
Spitzen der Fliebkanten eine zerschmetternde Wirkung
ausüben, der auch die beste Plattenpanzerung nicht
stand halten konnte.1)
Uebrigens muss derselbe bereits am Ende des
14. Jahrhunderts, also beim ersten Erscheinen der
Plattenharnische, bekannt gewesen sein. So berichtet
Gobelin Persona (Aetas VI, C. 83), «dass im Jahre 1390
der neue Bischof von Paderborn, Ruprecht, ein junger
und kühner Mann, sein Amt angetreten und gegen
das räuberische Unwesen der Edelleute Westfalens
strenge Massregeln ergriff. An der Spitze der Räuber
stand Friedrich von Pathberg, der sich und seine
Genossen «Beng'eler» nannte, weil sie silberne Streit-
kolben, Bengel, auf der Brust trugen. Der Bischof
trieb diese Gesellen zu Paaren».2)
Die kurze handliche Form dieser Waffe liess sie
besonders für den Reiter geeignet erscheinen, und
so führte sie denn auch mit Vorliebe der adlige
Reiter während des 15. und 16. Jahrhunderts bei
sich, entweder mit dem Faustriemen rechts am Sattel-
knopf oder ebendort in einer Lederschleife schräg
nach unten hängend. Trefflich veranschaulicht dies
die Abbildung bei Viollet-le-Duc, Seite 214/215,
»Parement d’un Chevalier».
Während der in seiner Bewegung nicht be-
hinderte gemeine Fusslcnecht in dieser Zeit den
grösseren und wuchtigeren Morgenstern bevorzugte,
galt somit der Kürissbengel als eine speziell ritter-
liche Waffe. Wir erblicken daher denselben, der
auch das Attribut der Heiligen Fidelis, Nikomedes
und Vitalis bildet, auf zahlreichen Abbildungen und
Wappen, insbesondere auch auf Grabsteinen in den
Fländen ritterlicher Personen. ln letzter Plinsicht
bietet sehr schöne Beispiele die besonders an
gotischen Denkmälern reiche Pfarrkirche zu Lorch
o
am Rhein, im Mittelalter der Sitz zahlreicher Adliger

x) Die dadurch verursachten Quetschwunden Messen die
«amesiere», vom mittellateinischen «amassare», d. h. mit der
Keule (massa) schlagen. Siehe Jahns, Entwicklungsgeschichte
der alten Trutzwaffen (Berlin 1899), Seite 160, Anm. 1.
2) Siehe Klemm, Die Werkzeuge und Waffen, ihre
Entstehung und Ausbildung (Sondershausen 1858), Seite 130.
— Ein Seitenstück zu diesen nach den Kiirissbengeln be-
nannten «Bengelern» bildet der nach den schlägelförmigen
Hämmern benannte, seit 1367 bestehende «Schläglerbund»
der schwäbischen Ritterschaft, der sog. Martinsvögel, dessen
Zweck war, sich gegen den Kaiser und die Reichsstädte zur
Wehr zu setzen. Siehe Boeheim a. a. O. Seite 363.
 
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