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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

DOI issue:
Heft 11
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Reimer, Paul: Die Erscheinung des Schusses und seine bildliche Darstellung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0415
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ii. Heft.

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

395

und entzünden so die ganze Ladung. Jedes einzelne
Korn brennt alsdann von der Oberfläche schichten-
weise nach dem Kern zu ab, es entwickeln sich also
bei fortschreitender Verbrennung, da die Ober-
flächen der Körner immer kleiner werden, immer
weniger Gase. Diese letzteren haben bald eine
solche Spannung erreicht, dass der aus der Träg-
heit des Geschosses, sowie der bei gezogenen Waf-
fen mit Pressionsführung durch das Einschneiden
der Felder des gezogenen Teils in das Führungs-
material des Geschosses sich ergebende Widerstand
des letzteren überwunden wird. Das Geschoss be-
wegt sich alsdann im Rohr vorwärts und ver-
grössert so immer mehr den Verbrennungsraum,
in welchem die brennenden Körner durcheinander
gewirbelt werden. Um nun zu verhindern, dass
die durch die erste Ausdehnung der Gase ge-

kühlung der Gase zerfliesst, also keine scharfe Um-
grenzung zeigen kann. Bei langen, mit grosser
Anfangsgeschwindigkeit und geeignetem, langsam
verbrennendem Pulver feuernden Kanonen kann
allerdings der Fall eintreten, dass die Geschwindig-
keit der Pulvergase vor der Mündung zunächst
die Oberhand behält über das Bestreben nach seit-
licher Ausdehnung. In diesem Falle wird alsdann
der Feuerstrahl auf eine kurze Strecke vor der
Mündung scharf begrenzt sein. Da die Pulvergase
eine grössere Geschwindigkeit haben müssen, als
das Geschoss, so werden sie dieses überholen und
einhüllen, eine Erfahrung, die zur Selbstentzündung
der nach vorne zeigenden Geschosszünder benutzt
wurde, wenn man auch hier und da den Bomben-
zünder der Sicherheit wegen vor dem Abfeuern des
Mörsers noch besonders mit einer Lunte anzündete.


Fig. 2. Belagerung von Stralsund. 1628.
(Aus G. Liebe, Der Soldat in der deutschen Vergangenheit. Leipzig, Diederichs.)

wonnene Geschwindigkeit des Geschosses bei dem
immer geringer werdenden Gaszufluss abnehme,
wählte man die Ladung so gross, dass theoretisch
gerade die letzten Reste der Pulverkörner ver-
brennen, wenn das Geschoss das Rohr verlässt.
In diesem Augenblick ist die Seele mit einem
innigen Gemisch der äusserst fein verteilten festen
Verbrennungsprodukte des Pulvers und hochge-
spannter, glühender Gase gefüllt, welche, den festen
Rückstand zum grossen Teil mit sich reisend, als
Flamme hinter dem Geschoss herschiessen, sich
nach allen Seiten stark ausdehnen und sich ab-
kühlend verteilen.
Jedenfalls bildet die Pulverflamme eine lange,
glühende Zunge, die in ihrer Längsachse am heisse-
sten ist, nach den Rändern und besonders dem
vorderen Ende zu infolge Ausdehnung und Ab-

Es geschah dies, wie Abbildungen des 17. Jahr-
hunderts zeigen, wenn die Bombe behufs besserer
Ausnutzung der Pulvergase zur Schliessung des
Spielraums im Flug des Mörsers mit Erde u. s. w.
festgestampft wurde.
Bis zur Einführung rationeller Einrichtungen
zum Messen von Geschossgeschwindigkeiten war
es kaum möglich, die Grösse der Ladung in der
oben angegebenen Weise mit Sicherheit auszu-
wählen. War die Ladung zu klein, so musste be-
reits im Rohr infolge fortgesetzter Ausdehnung der
Gase bei Mangel an Gaszufluss eine Abkühlung
der Gase eintreten, der Feuerstrahl vor dem Rohr
war also weniger intensiv. Viel häufiger hat man
indessen die Ladungen der Sicherheit wegen etwas
zu gross gewählt, es verbrannten also alsdann die
letzten Reste der Pulverkörner noch vor der Mün-
 
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