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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 2.1900-1902

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Heft 12
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Reimer, Paul: Die Erscheinung des Schusses und seine bildliche Darstellung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37716#0458
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43§

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

II. Band.

zu geben;, so liegt nach den obigen Ausführungen
noch die Gefahr vor, dass Unrichtigkeiten nach
dieser oder jener Richtung hin unterlaufen. Wie
mehrfach gezeigt, ist die einwandfreie Beobach-
tung der Schussflamme meist nur durch längere
Übung zu erlernen und zu dieser hat der darstellende
Künstler wohl nur in den seltensten Fällen aus-
reichende Gelegenheit. In richtiger Erkenntnis die-
ser Schwierigkeiten haben daher viele Maler clie
Darstellung der Schussflamme selbst durch ent-
sprechende Anordnung der Gegenstände des Bildes
zu umgehen gewusst und nur den Aufbau der
Rauchwolke vorgeführt. Andererseits ist es den
Darstellern nur verhältnismässig selten geglückt,
die ausserordentlich kurze Dauer der Flammen-
erscheinung völlig zum Ausdruck zu bringen.
Die Schussflamme wirkt alsdann starr und un-
wahr. Allerdings wird es sich nicht immer umgehen
lassen, auch die Schussflamme zur Darstellung zu
bringen, wenn, wie bei lebhaften Gefechtsszenen,
zahlreiche Schusswaffen gleichzeitig feuern. In sol-
chen Fällen dürfte man gut daran thun, die gerade
mit Blitz feuernden Gewehre oder Geschütze nicht
zu sehr in den Vordergrund zu bringen.
Wie eingangs angedeutet, haben sich die Maler
der verschiedenen Zeiten von einer annähernd gleich-
artigen Auffassung der Schusserscheinung nicht
freihalten können, und wenn diese auch wohl nur
selten der Wirklichkeit nahe kam, darf man doch
annehmen, dass gerade die charakteristische Seite
der im Laufe der Zeit einer gewissenen Verände-
rung unterworfenen Erscheinung zum Ausdruck ge-
bracht wurde. Und wie in dieser Studie bei dem
ungekörnten Schwarzpulver geschehen, werden sich
unter Umständen aus der bildlichen Darstellung
unter Berücksichtigung von bekannten, thatsäch-
lichen Verhältnissen interessante Schlüsse nach den
verschiedensten Richtungen ziehen lassen. Es be-
darf daher auch in waffenhistorischer Beziehung
das Studium der Erscheinung des Schusses auf bild-
lichen Darstellungen aller in Betracht kommenden
Zeiten eingehender Beachtung.
Anhang.
• Es dürfte bei manchen Waffenhistorikern Wi-
derspruch erregen, wenn in dieser Zeitschrift auch
der Erscheinung des modernen rauchschwachen
Schusses ein breiterer Raum gewidmet würde, da
ja das noch mitten in seiner Entwickelung befind-
liche neue Pulver noch nicht als der Geschichte an-
gehörig betrachtet werden kann. Aber gerade der
noch erheblich entwicklungsfähige Zustand des
rauchschwachen Pulvers bedingt auch eine allmäh-
liche Veränderung der Schusserscheinung in nicht
zu ferner Zeit, es dürfte daher angezeigt erscheinen,
die charakteristischen Merkmale des heutigen
rauchschwachen Schusses an dieser Stelle, wenn
auch nur in einem Anhänge, festzulegen.

Die Erscheinung des rauchschwachen Schusses
unterscheidet sich von derjenigen des Schwarz-
pulvers nicht allein durch die in erster Linie
hervortretende Eigenschaft der Rauchschwachheit
oder Rauchlosigkeit, sondern vor allem auch hin-
sichtlich der Entstehungsweise der Flamme. Auf
Abbildungen des rauchschwachen Schusses lässt
sich leider nicht zurückgreifen, da die Maler seine
Darstellung bisher anscheinend geflissentlich um-
gangen haben, und auf modernen Marinebildern
selbst kleinere Kaliber noch mit Schwarzpulver zu
feuern pflegen.
Die modernen rauchschwachen Pulver bestehen
aus nitrierten, d. h. mit konzentriertester Salpeter-
säure behandelten und dadurch chemisch veränder-
ten organischen Stoffen, die alsdann zur Herbei-
führung einer langsameren Verbrennung mit in-
differenten oder aber mit ballistisch ebenfalls wirk-
samen Substanzen innig gemengt — gelatiniert —
werden. Zur ersteren Klasse gehören, um nur die
gebräuchlichsten Sorten zu erwähnen, die Schiess-
wolle-, zur zweiten die Nitroglycerinpulver. Der hier
allein in Betracht kommende Unterschied dieser
Pulversorten gegenüber dem Schwarzpulver besteht
unter Übergehung der dafür obwaltenden Gründe
in der beträchtlich grösseren Menge der entwickel-
ten Verbrennungsgase, der viel höheren Verbren-
nungstemperatur und dem fast völlig -fehlenden
Rückstand. Dieser letztere Umstand drückt der mo-
dernen Schusserscheinung bekanntlich das Gepräge
auf und wird noch zu besprechen sein.
Es ist weiter oben erwähnt worden, dass die
Schwarzpulverladung, wenigstens theoretisch, so be°
messen wurde, dass die letzten Pulverkörner im
Rohr verbrannten, wenn das Geschoss die Mündung
verliess. Das ist beim rauchschwachen Pulver nicht
mehr nötig, hier lässt sich in derselben Weise öko-
nomischer arbeiten, wie dies heute bei den Dampf-
maschinen unter Verwendung hochgespannten, er-
heblich heisseren Dampfes geschieht. Je heisser
ein auf kleinem Raum zusammengepresstes Gas
ist, um so mehr ist es bestrebt, sich auszudehnen,
um so mehr Arbeit kann es leisten. Bei den älteren
Dampfmaschinen liess die Steuerung so lange den
Dampfdruck des Kessels auf den Kolben wirken,
bis derselbe seinen Weg im Cylinder zurückgelegt
hatte, und steuerte dann erst den Dampfzutritt um,
heute genügt der Zufluss einer erheblich geringeren
Menge heisseren Dampfes zu derselben Arbeits-
leistung. Solange der Dampf zuströmt, wirkt
der Kesseldruck auf den Kolben, nach einer
gewissen Strecke seines Weges hört jetzt der Zu-
fluss auf und nur die natürliche Ausdehnung des
heissen Dampfes, die Expansion, treibt den Kolben
weiter. Wie hier an Dampf, so wird beim moder-
nen Schuss an Pulver gespart. Die Ladung kann
so klein gewählt werden, dass das Geschoss, nach-
dem die Verbrennung beendet, erst einen kleinen
Teil seines Weges zurückgelegt hat, alsdann wirkt
 
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