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Verein für Historische Waffenkunde [Editor]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 4
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Potier, Othmar: Die Rüstkammer der Stadt Emden, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0120
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104

Zeitschrift für historische Waffenkunde.

Band III.

Hatte die Rüstkammer ursprünglich einem
praktischen Zwecke zu dienen, so nahm dieselbe
im Laufe der Zeiten auch den Charakter eines
Ortsmuseums an, indem Gegenstände lokalge-
schichtlicher Art, mit denen man sonst nichts Rech-
tes anzufangen wusste, in der Rüstkammer zur
Schau aufgestellt würden. So vereinten sich endlich
neben Waffen aller Art Prägestücke für Münzen,
Modelle von Schleusen, Walfischknochen, Steine
von alten Häusern, ein Basilisk, ein Richtrad u. dgl.
zu einem traulichen Stillleben.
Die Rüstkammer liegt im obersten Geschosse
des von Marten Arends aus Delft nach dem Vor-
bilde des älteren Antwerpener Stadthauses in den
Jahren 1574 bis 1576 erbauten Rathauses. Der 41 m
lange, 10 m breite, aber nur 2,6 m hohe, von mäch-
tigem Sparrenwerk durchzogene Raum ist dem

, einen Zug zum Entsetzen der nichts ahnenden Be-
sucher rasselnd die mit Ketten belasteten Arme
bewegt, so rührte hier ein geharnischter „Stadt-
tambour“ seine Trommel, stellten zwei Puppen, die
„feindlichen Brüder“, eine rührsame Szene dar,
welche sich in der Schlacht bei Jemgum zugetragen
haben soll, Dinge, welche schon vor 200 Jahren ein
denkender Reisender als „unnötige Erfindungen“
j gerügt hatte1).
Nach Aufhebung der Verpflichtung der Bürger
! zu regelmässigen Wachtdiensten und des Amtes
I der Schüttenhöftlinge im Jahre 1749 führte die
Oberaufsicht über die Rüstkammer der vom Ma-
gistrate bestellte Artillerie- und Kriegskommissar,
unter dessen Befehl der Konstabel stand, welcher
meistens ein invalider Unterbeamter der Stadt, mit-
unter auch ein Handwerker war. Dieser Konstabel


Westfront der Rüstkammer (Nordscitc).

Studium der hier untergebrachten Gegenstände
wenig günstig. Das Licht erhält die Rüstkammer
sozusagen aus zweiter Hand, indem deren Fenster
auf einen Laubengang münden, die nach Osten ge-
richtete Wand überhaupt nur von der Thüröffnung
durchbrochen wird. Das in diesem Gelasse dadurch
bedingte Dämmerlicht wird durch den die Rüst-
kammer in deren Längsachse durchziehenden mäch-
tigen Gewehrrechen, durch vier mit prächtigen
Glasmalereien ausgeschmückte Fenster gesteigert.
In diesem unfreundlichen, durch jetzt zwecklos ge-
wordene Gestelle und Hängegerüste vielfach be-
engten Raum waren alle Gegenstände ohne einheit-
lichen Plan aufgestellt. Flier fehlten natürlich auch
die bekannten Spässe nicht, 'welche dem Publikum
das Gruseln vor den „alten eisernen Rittern“ lehren
sollten. Wie z. B. noch heute im Burgverliesse des
Lustschlosses zu Laxenburg ein „Kreuzritter“ auf

hatte nach der vom 28. Oktober 1807 datierten
„Revidierten Instruktion und Bestallung für den
Staats-Kanonier“ die unmittelbare Obhut über alles
in der ,,Waffenkammer auf dem Rathause befind-
liche Gewehr- und Waffengeräte (§ 3), welches
er stets rein verwahren und putzen helfen und in
guter Ordnung aufgestellt und aufgehangen erhalten
soll“ (§ 4).
Leider wurde auf die Durchführung dieser Vor-
schriften durch die Rüstmeister seitens desMagistrats
stets viel zu wenig Gewicht gelegt. Das Amt des
Rüstmeisters war infolge der von den Besuchern der
Rüstkammer gegebenen Trinkgelder zu einem recht
einträglichen Ruheposten geworden, welcher es dem
1) Herrn Zacharias Konracl von Uffenbach merkwürdige
Reisen durch Niedersachsen, Holland und Lngelland. Lim
und Memmingen. — Ostfries. Monatsblatt, 1875, 3. Jahrgang,
x. Heft.
 
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