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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 3.1902-1905

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Heft 12
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von Schubert, Soldern, Fortunat: Celt und Framea: eine Revision der Frage
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https://doi.org/10.11588/diglit.37714#0357
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Zeitschrift für historische Waffenkunde.

341

13. Heft.

nicht aus, dass sie später zur germanischen wurde.
Ist ja doch der Celt durchaus nicht allein auf jene
Gebiete beschränkt, in denen Gallier wohnten;
Meisseiförmige Lanzenspitzen findet man, wie Jähns
berichtet, in Nordafrika und China1 '), und dass der
Celt auch in Kleinasien heimisch war, beweist sein
Vorkommen auf den Trümmerstätten von Troja.28)
Von einer gallischen Spezialität kann also in keiner
Weise die Rede sein. Schreiber behauptet weiter,
dass die Germanen keinen Bergbau trieben und daher
nicht in der Lage waren, ihren Bedarf an Erzwaffen
selbst zu decken, alles also, was von Bronzegeräten
auf germanischem Boden gefunden wurde sei kel-
tischen Ursprungs. Zur tacitäischen Zeit aber sei
die Celtform bei den Galliern schon längst antiquiert
gewesen, und daher wohl auch bei den Germanen
ausgeschlossen. Woher aber hatten dann die
Germanen ihre mettallenen Framenklingen, die
Tacitus ausdrücklich erwähnt, und die sich doch
wohl von den gallischen Waffen wesentlich unter-
schieden haben müssen, wie klar aus der Be-
schreibung hervorgeht. Eine germanische National-
waffe muss die Frame, wenn man Tacitus überhaupt
glauben schenken will, doch unzweifelhaft gewesen
sein. Sprechen die von Schreiber angeführten Gründe
nicht eher für als gegen die Verwendung des Celts
als Framenklinge? Die zur Zeit des Tacitus bereits
grösstenteils romanisierten Gallier, deren wehrfähige
Mannschaft in das römische Heer eingereiht wurden,
hatten aufgehört, ein selbständiges Kriegsvolk zu
sein und ihre Bewaffnung hatte infolgedessen ihr
nationales Gepräge verloren. Auch mögen sie infolge
ihrer anerkannt hohen Metallkultur schon verhält-
nismässig früh zu fortgeschritteneren Wafifenformen
übergegangen sein, während die kulturell zurück-
gebliebenen Germanen noch an den alten Formen
hingen. Der Celt, der bei den übrigen nach-
klassischen Völkern, mit denen die Römer in
Beziehungen standen schon längst in Vergessenheit
gekommen war, kann bei ihnen sehr wohl noch
die herrschende Klingenform gewesen sein und
erschien den Röfnern der taciteischen Zeit daher
als charakteristische Eigentümlichkeit der germani-
schen Bewaffnung. Schreiber unterlässt es ferner
vollständig, den Unterschied zwischen germanischen
und gallischen Gräbern klarzulegen, während er
dies bezüglich der Anlage und des Inhalts der
slawischen Gräber in durchaus erschöpfender Weise
thut.29) Und doch wäre gerade eine solche Unter-
scheidung für die Lösung des Problems von der
grössten Wichtigkeit gewesen. Nach ihm zu schliessen,
würde es auf deutschem Boden überhaupt keine
germanischen, sondern nur gallische und slawische
Gräber geben. Die Gegengründe, die Schreiber
schliesslich aus der citierten Stelle des Tacitus selbst

abzuleiten sucht, sind gleichfalls wenig stichhaltig.30)
Dass acer, wie er behauptet, in erster Linie spitz
bedeute, ist unrichtig, darüber geben die römischen
Klassiker sowohl, als jedes grössere Wörterbuch
Aufschluss. Auch kann der Umstand, dass im
Tacitus die Framenklinge als Ferrum bezeichnet
wird, schon deshalb nicht gegen die Theorie der
Identität von Celt und Framenklinge ins F'eld ge-
führt werden, weil eiserne Celtklingen in den prä-
historischen Gräbern nicht zu den Seltenheiten ge-
hören.31) Ausserdem aber macht es die geringe,
Widerstandsfähigkeit des Eisens der Feuchtigkeit
gegenüber sehr wahrscheinlich, dass eiserne Celt-
klingen zur Zeit des Tacitus viel häufiger gewesen
sein mochten, als es die Funde vermuten lassen.
Bei den Germanen der taciteischen Zeit können ja
beide Materialien nebeneinander in Verwendung-
gestanden haben; die Bronze und das Eisen, und es
wäre zuviel von Tacitus verlangt, wollte man ihm
eine stoffliche Analyse aller Framenklingen zumuten.
Ausserdem frägt es sich noch, wie Jähns ganz
richtig bemerkt, ob Ferrum bei Tacitus nicht als
waffentechnischer Ausdruck etwa im Sinne unseres
Speereisens oder unserer Speerklinge, gebraucht
wurde.32)
Gegen Baumstarcks Ansicht, die Frame sei ein
gewöhnlicher Reiterspeer mit blattförmiger Klinge
gewesen, spricht die tacitäische Beschreibung wohl
ganz deutlich. Wenn es sich um eine derartige
Waffe gehandelt hätte, würde Tacitus ihr nationales
Gepräge, beziehungsweise die charakteristischen
Eigenschaften der Klinge, nicht besonders hervor-
gehoben haben.
Vollständig hinfällig ist Lindenschmits Beweis-
führung, der die Identiefizirung der Framen- und
Celtklinge aus wafifentechnischen Gründen verwirft,
indem er sagt: Soviel gesunden Menschenverstand
und praktischen Sinn müsse man auch den Germanen
Zutrauen, dass sie wussten, dass mit einer geradeaus
geworfenen Spaltklinge, selbst bei doppeltem Kraft-
aufwand, keine grössere Wirkung erzielt werden
könne, als mit einem Spitzspeer, und dass nur Ka-
tapulte und die ihnen verwandten Armbrüste im-
standeseien, derartigen Geschossen Erfolg zu geben.33)
Das ist eine durchaus einseitige Auffassung der Frage.
Warum sah man beim Armbrustbolzen mit Vorliebe
von einer scharfen Spitze ab? Warum behielt man
gerade hier den Schneidebolzen bei, der der gerade
geschäfteten Celtklinge so nahe verwandt ist? Hier
dürfte doch wohl derselbe Grund massgebend gewesen
sein, der die Völker der Bronzezeit veranlasste, die
Meisseiklinge der spitzen Speerklinge vorzuziehen.
Er liegt in beiden Fällen in der Gefahr des Ab-
biegens beziehungsweise Abbrechens einer Spitze,
sobald sie auf einen harten Gegenstand trifft. Er-
30) Heinricli Schreiber, a. a. O. S. 69.
31) Max Jähns, a. a. O.
32) Max Jähns, a. a. O.
33) L. Lindenschmit, a. a. O.

27) Max Jähns, a. a. O. S. 174.
28) Max Jähns, a. a. O. S. 127.
29) Heinrich Schreiber, a. a. O. S. 73.
 
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