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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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4. Heft
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Forrer, Robert: Über kombinierte Waffen
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0122
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102

R. FORRER, ÜBER KOMBINIERTE WAFFEN

V. BAND

und noch öfters auf Gemälden begegnet. Vollends
die Länge einer Stangenwaffe hat der schon oben
erwähnte Streithammer Nr. 918 der ehemaligen
Sammlung Zschille; Stangenwaffe mit Hammer-
beil und Pistole. Das Beil ist vergoldet, der Schaft
aus schwarzem Holz mit Elfenbeinstreifen. An-

der Paradehelmbarten endigend) — alles richtige
Waffenspielereien aus der Wende des 16. Jahr-
hunderts. Wehe der Wildsau, die vor die Spitze
dieser schrecklichen Waffen gestellt wurde.
Noch komischer berührt der Spiefs, den ich
in Zschilles Waffenkatalog unter Nr. 925, Taf. 195,


13 14 15
Abb. 13—15. Schiefsschwerter aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts
(Sammlung Prinz Carl von Preufsen, jetzt im Königl. Zeughaus, Berlin)

fang des 17. Jahrhunderts — so beschrieb ich
damals diese seltsame, mehr Würdenabzeichen
oder Pilgerwaffe, als regelrechte Kriegswaffe.
Man hat aber auch regelrechte Stangen-
waffen mit Feuerrohren ausgestattet. Freilich
haben auch diese Waffen in den meisten Fällen
mehr den Charakter einer seltsamen Paradewaffe
denn einer praktischen Waffe zu ernstem Gebrauch.
Insbesondere waren es Waffen für den Jagd ge-
brauch, die man dergestalt ausstattete. Ich er-
innere an den berühmten Saufänger der
Sammlung Soltikoff, dessen Spitze von zwei Helm-
bartenhaken und nicht weniger denn drei Rad-
schlofspistolen umgeben war (Demmin, Fig. 26,
S. 780). Weiter an die verwandte Jagdspeer-
spitze mit zwei Radschlössern Zschille
Nr. 1100, und an das verwandte Exemplar des
Dresdner Museums, hier abgebildet unter Abb. 9
und 9 a, wo der geätzten Spitze als besondere
Zier noch zwei schwächliche Helmbartenschlag-
flügel angehängt sind. Weiter ist zu erinnern an
die drei reich geätzten Jagdwaffen der Sammlung
des Prinzen Carl, abgebildet bei Hiltl auf Tafel
X XIX, diese je mit drei Radschlofspistolen aus-
gerüstet (zwei davon in halbmondförmige Schlag-
eisen und lanzettförmige Stofsspitzen nach Art

abgebildet und als Lanze mit Pistol am unteren
Ende, Anfang des 17. Jahrhunderts, beschrieben
habe. Das Feuerrohr schiefst nämlich nicht in
der Richtung der Lanzenspitze, sondern in der
Richtung des Lanzenfufses, so dafs der Soldat
wenn er einen Reiter mit dem Spiefs empfangen,
vorher ihm aber eine Kugel entgegensenden wollte,
die Speerspitze weit hinter sich gegen die Erde
stemmen mufste, um das Rohr losfeuern zu können
und dann rasch den Spiefs seiner ganzen Länge
nach drehen mufste, um dessen Spitze in Aktion
treten lassen zu können. Oder wollte der gute
Waffenschmied gar eine Waffe schaffen, die auch
hinten losging, wenn man von vorn und hinten
angegriffen wurde? Und war diese drollige Waffe
für die Nachbarn des Trägers nicht fast gefähr-
licher als dem heranrückenden Gegner? Jeden-
falls haben wir bei diesem alten, aber seltsam
spafsigen Waffenstücke wieder einen Beleg mehr,
dafs bei der Echtheitsbeurteilung einer alten Waffe
der gesunde Menschenverstand allein nicht immer
in die Wagschale geworfen werden kann.
Das eben Gesagte wird auch durch das in
dieser Zeitschrift Band V, S. 43 und 44 er-
wähnte Messer mit Pistole aus der zweiten
Hälfte des 17. Jahrhunderts illustriert. Ich er-
 
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