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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 6.1912-1914

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2. Heft
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Gessler, Eduard Achilles: Beiträge zum altschweizerischen Geschützwesen, [2]: die großen Geschütze aus dem Zeughausbestand der Stadt Basel
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https://doi.org/10.11588/diglit.39948#0074
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54

E. A. GESSLER, BEITRÄGE ZUM ALTSCHWEIZERISCHEN GESCHÜTZWESEN

VI. BAND

sowohl für die Eisen- wie für die Bronzegiefserei,
besonders im Gufs von Geschützen. Dieser Jean
de Malines scheint nun einer der bedeutendsten
Giefser gewesen zu sein; leider ist es nicht
gelungen, über seine Lebensumstände Näheres
zu erfahren. Wenn jedoch Karl der Kühne
jemandem die Neuschaffung eines beträchtlichen
Artillerieparkes anvertraute, mufs dieser ein grofser

Dieses Geschütz kann Herzog Karl gegen die
Kaiserlichen nur bei der vergeblichen Belagerung
von Neuss verloren haben.
Vergleicht man das Basler Stück, so ist die
Burgunderin im Rohr völlig identisch. Die Rohr-
konstruktion stimmt überein, nur ist das Burgun-
dische Wappen auf dem letzten Feld des Rohrs,
während es sich in Basel auf dem zweitletzten


Könner und Meister gewesen sein, der sich vor
den andern ausgezeichnet hatte. Dieser Johann
von Mecheln dürfte daher der Erfinder dieser
epochemachenden Umwälzung in der Artillerie
jener Zeiten gewesen sein, indem er Rohre mit
Balanzschildzapfen gofs. Der grofse Krieger Karl
wird den Wert dieser Erfindung sofort ange-
wendet haben; im gleichen Jahre 1474, als die
Stücke kaum gegossen waren, wurden sie vor
Neuss bei dessen Belagerung verwendet, denn
auf keine andere Art dürfte ein solches Ge-
schütz, wie wir sofort sehen werden, in den
Besitz der Kaiserlichen gelangt sein. Der Codex
icon. 222 der kgl. Hof- und Staatsbibliothek
München Blatt 60, der Vorarbeiten zu den Zeug-
büchern Kaiser Maximilians enthält (hrg. v.
Boeheim) bringt eine Abbildung eines Geschützes
mit Balanzschildzapfen und Blocklafette mit der
Beischrift :
„Die Burgunderin heyfs ich
Hertzog Karl verlor mich“.
(Beschreibung bei Essenwein, Quellen, Taf. XLV
bis XLVI S. 44 und kurz Boeheim, Zeugbücher
Kaiser Maximilians, Jahrb. d. kunst-hist. Samm-
lungen d. A. H. Kaiserhauses B. XIII 1892 S. 119).

Feld befindet. Boeheim irrte sich, wenn er
nach dieser Zeichnung annahm, die Schild-
zapfen seien zu weit nach vorne verlegt; sie sind
auch im Original so und zwar in der Gleich-
gewichtslage des ganzen Rohres. Später sah man
darauf, diese Lage zugleich in die Mitte des
Rohres zu verlegen, was hier bei einem frühen
Stück, das den Übergang zur späteren maxi-
milianischen Artillerie bildet, noch nicht der Fall
ist. Die Lafette ist der späteren ebenfalls ähn-
lich, nur noch einfacher; wir haben in ihr gewifs
die originale Montierung dieser Büchse zu sehen
mit der sowohl Eisen- als Steinkugeln ge-
schossen werden konnten. Der Drachenkopf der
Traube weicht ebenfalls ab, indem an Stelle des
Rohrs mit Öffnung für den Hebebaum ein Hebe-
ring angebracht ist; da die spätere Zeit diese
frühe Richtart nicht mehr kannte (sie kommt
später nur noch bei Schiffsgeschützen [Dreh-
bassen] vor), wird der Zeichner dies umgeändert
haben. Stellen wir uns das Basler Geschütz
mit Lafette vor, so mufs dieses wie bei der
„Burgunderin“ gefafst gewesen sein.
Obwohl durch seine Inschrift und das vorher
Erwähnte die burgundische Herkunft völlig ge-
 
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