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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]; Verein für Historische Waffenkunde [Mitarb.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 7.1915-1917

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2./3. Heft
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Rose, Walther: König Johann der Blinde von Böhmen und die Schlacht bei Crécy (1346)
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https://doi.org/10.11588/diglit.39949#0071
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2./3. HEFT

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DR. WALTHER ROSE, KÖNIG JOHANN DER BLINDE VON BÖHMEN

müfste. Doch dem Grafen schwoll die Zornes-
ader und er herrschte ihn an: „Remettez votre
bassinet et marchez!“ „Puisqu’a la bataille som-
mes venus“ — erwiderte da der brave d’Estra-
celles — „je le mettrai, mais jamais ne sera oste
par moi!“ Und sogleich attakierte er mit seinem
Banner, alles niederreitend den Feind mit solcher
Gewalt, dafs die Ordnung der Bogenschützen
durchbrochen wurde und es nun zum Kampfe
mit den Geharnischten des schwarzen Prinzen,
Mann gegen Mann kam96).
Dieser selbst kam in Lebensgefahr, umzingelt
und zu Boden gestürzt, wäre er unzweifelhaft in
Feindeshand geraten, wenn nicht einer seiner
normannischen Ritter, Richard de Beaumont, ihn
gerettet hätte. Schnell warf dieser das ihm an-
vertraute grofse Banner von Wales über den am
Boden Liegenden, trat mit beiden Füfsen darüber,
Anm. i hierzu bemerkt, unterliegt es wohl keinem Zweifel,
dafs unter den bei Crecy gefallenen Helden sich auch
Luxemburger Ritter befanden. Die gleichzeitigen Quellen
(Albertus Argentinensis, Villani, Froissart und Johann Schön-
felder bei Pez I, 967) nennen nur einen Ritter aus der Graf-
schaft Luxemburg, nämlich den Grafen von Salm. Aus
einem Dokument vom Jahre 1583, das Herr de la Fontaine
in einem auf die Herrschaft Meysenburg bezüglichen Re-
gister gefunden hat, ergibt sich, dafs auch der Herr von
Meysenburg den König Johann in dieser Expedition be-
gleitete. Die Nachforschungen des Luxemburgischen Archäo-
logischen Vereins zur Auffindung der Namen von weiteren
gefallenen luxemburgischen Rittern blieben leider erfolglos.
Es ist dies um so bedauerlicher, als noch der Reisende
Jacobus Meyer in dem ersten Teil seiner vor dem Jahre
1537 geschriebenen Annalen (ad annum 1346) bei einem Be-
suche des (bald darauf im Jahre 1543 zerstörten) Grabmals
König Johanns in der Münsterabtei in Luxemburg berichtet,
dafs um dasselbe die Marmorstandbilder der mit dem Könige
bei Crecy gefallenen 50 Ritter aufgestellt gewesen seien.
(„Corpus Joannis Luceburgensis regis Boemiae Luceburgum
delatum ac magnifice sepultum: ubi et facies quinquaginta
nobilium, qui cum eo occubuerunt, celatae in marmore vi-
suntur.“ Cf. Schotter 1. c. S. 290, Anm. 1.) Köhler 1. c.
nennt in seiner Darstellung der Schlacht bei Crecy (S. 409
bis 413) unter den gefallenen Luxemburgern neben dem
Grafen von Salm noch den Grafen von Mömpelgart, einen
Herrn von Rodebach und Heinrich von Ratzenhusen. (Der
Graf von Salm wird von Villani 1. c. bezeichnet als „il
conte Salemmi d’Alamagna, ch’era col Re di Buemia“, und
von den Grandes Chroniques mit „Samines“ genannt.)
flS) Louandre 1. c. (Tome I, p. 208—209): „Ce Chevalier,
cdlebre par de nombreuses preuves de courage, avait pro-
fitd d’un moment de repos pour oter son bassinet de fer,
ahn de respirer plus ä Paise, car la chaleur etait extreme.
II fit observer au prince, que c’6tait s’exposer ä une perte
in^vitable, que de vouloir ddbusquer les Anglais de leurs
retranchements avec de la cavalerie. Le comte insista en
disant impdrieusement: „Remettez votre bassinet et mar-
chez!“ — Puisqu’ä la bataille sommes venus, repondit d’Estra-
celles, je le mettrei, mais jemais ne sera ostd par moi!“
(Ms. 7136 de la Biblioth. du roi, fol. 262v). „II se porta
aussitöt avec les hommes de sa banniere contre le prince
de Galles. ... Le brave d’Estracelles tomba sous les fleches
des ennemis et n’öta plus son bassinet.“

und indem er sein Schlachtschwert mit beiden
Händen führte und alles niederhieb, bewahrte er
seinen jungen Herrn vor dem Tode97).
Das erste Treffen der Engländer geriet je-
doch hierdurch in solches Gedränge, dafs die um
das Leben des schwarzen Prinzen besorgten Be-
gleiter desselben den Ritter Thomas de Norwich
mit der Bitte um Unterstützung an König Eduard
selbst absandten, der seinen Beobachtungsstand-
punkt bei der Windmühle nicht verlassen hatte.
Aber der hochherzige König fragte nur: „Messire
Thomas, mon fils est-il mort, ou aterre, ou si
blesse qu’il ne se puisse aider?“ Und als der
Abgesandte dies verneinte, lehnte er die nach-
gesuchte Plilfe mit den ritterlichen Worten ab:
„Leur dites de par moi, qu’ils ne m’envoient mes-
huy requerre, pour aventure qui leur avienne,
tantque mon fils soit en vie; et leur dites, que je
leur mande, qu’ils laissent ä l’enfant gagner
ses eperons; carje veux, si Dieu l’a ordonne,
que la journee soit sienne, etquel’honneur
lui en demeure et ä ceux en quelle Charge
je l’ai baille98)!“
Begeistert durch dieseW orte hielt der schwarze
Prinz und sein Gefolge mannhaft Stand, bis es
einem erneuten Ansturm der französischen Ritter-
schaft gelang, die Engländer zu umgehen. Da
endlich griff auch das zweite Treffen derselben
unter den Lords Arundel und Northampton ein,
und ein furchtbares Morden begann.
Von Pfeilen durchbohrt, sank da der brave
d’Estracelles vom Rofs und nahm, seinem Worte
getreu, nimmermehr seinen Helm vom Haupt. Und
mit ihm fiel, schon bei dunkelnder Nacht, unter den
krachenden Schlägen der keltischen Mordaxt die
Blüte der stolzen Chevallerie, und die mit ihren ver-
wundeten Rossen Gestürzten und hilflos am Boden
Liegenden traf durch die Fugen des Harnisches
das Messer der wallisischen Fufsknechte. Der
Bruder des Königs, Graf Karl von Alencon, die
Grafen von Blois und Flandern, der Pierzog von
Lothringen, der Graf von Harcourt, Bruder des
auf englischer Seite fechtenden Godefroy de Har-
97) Louandre 1. c.: „Entourd et jete ä terre, il serait
infailliblement tombd en leur pouvoir, sans un Chevalier
d’origine normande, Richard de Beaumont, qui portait la
grande banniere du pays de Galles. Ce Chevalier jeta sur
ce prince son vaste dtendard, mit ses pieds dessus, prit son
espöe ä deux mains et fit si bien, qu’il empecha son petit
maitre d’etre tu6.“ (Histoire des mayeurs d’Abbdville p. 328).
Köhler 1. c. S. 411 nennt den Bannerträger „Richard Fils-
de-Symon“ und bemerkt hierbei (Anm.i), dafs wenn Louandre
denselben mit „Richard de Beaumont“ bezeichnet, dies nicht
ausschliefst, dafs hiermit dieselbe Person gemeint ist, nämlich
Richard, der Sohn Symons de Beaumont.
9S) Froissart (Edition Buchon) Livre I, Chap. 290
(Tomei, p. 239 — 240) und ebenso (Edition Kervyn de L.)
Livre I, Chap. 227 (Tome II, p. 258).
 
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