32
KAPITEL II
und nicht sehr genau werden. Es muß also folgendermaßen übertragen werden. Es
sei ein beliebig großes Modell gegeben. Will man nun danach ein vollkommen
richtiges Geschütz bauen, z. B. ein 3 spithamiges Geschütz, so muß man ein
Lineal (kccvöviov) genau gleich dem Geschoß des Modells machen; das Lineal
muß man in 6 gleiche Teile teilen, einen von diesen 6 Teilen wieder in 4 und einen
dieser 4 wieder in 4, dann in jedem Teilpunkte eine zur Kante des Lineals
rechtwinklige Linie ziehen. Nun wird das Lineal der Maßstab des Modells sein,
wie eine Elle in Palästen und Daktylen und Vierteldaktylen geteilt. Und man muß
ebenso ein Lineal genau von der Länge des 3 spithamigen Geschosses machen und
es geradeso einteilen, wie das kleine eingeteilt ist. Und dann, wenn wir das
richtige Geschütz bauen und die einzelnen Längen von dem kleinen übertragen, so
werden wir, wenn wir das Modell nach dem kleinen Maßstab abmessen, die
Maßzahlen uns merken, und indem wir so das richtige Geschütz nach dem großen
Maßstabe messen, werden wir es nach den entsprechenden Maßzahlen
konstruieren, und es wird dadurch schnell und genau alles entsprechend vergrößert
sein.
Und auf gleiche Weise, wenn man ein zweieiliges Geschütz bauen will, wird das
Lineal zwei Ellen lang gemacht, auf gleiche Weise wie eine Elle eingeteilt und
danach konstruiert. Und wenn uns jemand auftrüge, ein halbspithamiges oder
irgendein anderes, das eine beliebige, ja sogar irrationale Geschoßlänge hat, nach
dem Modell zu bauen, so werden wir unfehlbar jedes einzelne Maß übertragen
können. Nach derselben Methode wird man auch von größeren auf kleinere
übertragen können. Die gleiche Methode wird man auch bei anderen Dingen
anwenden können, wie ich in dem Einleitungsbuche gesagt habe, welches das
erste meiner Mechanischen Konstruktionslehre ist.22
Die Übertragung der einzelnen Dimensionen basiert auf dem Prinzip, daß jedes
der zu übertragenden Maße ein Bruchteil des benutzten Maßstabes ist. Darüber
hinaus weist die Einteilung des beschriebenen Lineals eine bemerkenswerte
Übereinstimmung mit der von Vitruv vorgenommenen Unterteilung der
Körperhöhe eines wohlgestalteten Menschen auf. Während Philon seine
Meßlatte in 6 Handbreiten aufteilt, finden wir bei Vitruv 6 Fuß. Diese größte
Einheit wiederum besteht bei Philon aus 4 Fingerbreiten (daktyloi), bei Vitruv
aus 4 palmi (griechisch palastai, verdeutscht: Palästen), und von diesen wird je
eine Dimension nochmals gevierteilt, nämlich bei Philon in 4 Viertel-
Fingerbreiten und bei Vitruv in 4 digiti. Weiterhin bemerkenswert ist Philons
Behauptung, daß man dieses Verfahren auch auf andere Dinge anwenden
könne. Zu diesen »anderen Dingen« zählten wahrscheinlich Architektur und
Skulptur, denn in den einleitenden Worten des Buches über die
Kriegsmaschinen scheute sich Philon keineswegs, aufschlußreiche Ab-
schweifungen in andere Gebiete, etwa in die Bildhauerei oder die Baukunst zu
unternehmen.23 Allerdings ist das in diesem Zusammenhang erwähnte Traktat
nicht erhalten, doch handelte es sich dabei um ein Einleitungsbuch, und man
kann annehmen, daß Philon sich dort nicht strikt auf die Abhandlung me-
chanischer Probleme beschränkte.
Grundsätzlich sind die griechisch Kanones (Kavoveg) und lateinisch regulae
genannten Richtscheite oder Lineale, zu denen auch Philons Kanonion
(kovöviov) genannter Maßstab gehört, nach drei Kategorien zu unterteilen. Sie
22 PHILON BYZANTINUS, Belopoeika 55.12-56.6., deutsche Übers, zit. nach H. DIELS/E.
SCHRAMM, Philons Belopoiika, in: Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissen-
schaften, Philos.-Hist. Klasse, 1918, Nr.12, S.18-19; griech. Text ebd. und bei E. W. MARSDEN,
Greek and Roman Artillery. Technical Treatises, Oxford 1971.
23 PHILON BYZANTINUS, Belopoeika 50.4-51.7; zu Philon vgl. MARSDEN, Greek and
Roman Artillery, S.11-12.
KAPITEL II
und nicht sehr genau werden. Es muß also folgendermaßen übertragen werden. Es
sei ein beliebig großes Modell gegeben. Will man nun danach ein vollkommen
richtiges Geschütz bauen, z. B. ein 3 spithamiges Geschütz, so muß man ein
Lineal (kccvöviov) genau gleich dem Geschoß des Modells machen; das Lineal
muß man in 6 gleiche Teile teilen, einen von diesen 6 Teilen wieder in 4 und einen
dieser 4 wieder in 4, dann in jedem Teilpunkte eine zur Kante des Lineals
rechtwinklige Linie ziehen. Nun wird das Lineal der Maßstab des Modells sein,
wie eine Elle in Palästen und Daktylen und Vierteldaktylen geteilt. Und man muß
ebenso ein Lineal genau von der Länge des 3 spithamigen Geschosses machen und
es geradeso einteilen, wie das kleine eingeteilt ist. Und dann, wenn wir das
richtige Geschütz bauen und die einzelnen Längen von dem kleinen übertragen, so
werden wir, wenn wir das Modell nach dem kleinen Maßstab abmessen, die
Maßzahlen uns merken, und indem wir so das richtige Geschütz nach dem großen
Maßstabe messen, werden wir es nach den entsprechenden Maßzahlen
konstruieren, und es wird dadurch schnell und genau alles entsprechend vergrößert
sein.
Und auf gleiche Weise, wenn man ein zweieiliges Geschütz bauen will, wird das
Lineal zwei Ellen lang gemacht, auf gleiche Weise wie eine Elle eingeteilt und
danach konstruiert. Und wenn uns jemand auftrüge, ein halbspithamiges oder
irgendein anderes, das eine beliebige, ja sogar irrationale Geschoßlänge hat, nach
dem Modell zu bauen, so werden wir unfehlbar jedes einzelne Maß übertragen
können. Nach derselben Methode wird man auch von größeren auf kleinere
übertragen können. Die gleiche Methode wird man auch bei anderen Dingen
anwenden können, wie ich in dem Einleitungsbuche gesagt habe, welches das
erste meiner Mechanischen Konstruktionslehre ist.22
Die Übertragung der einzelnen Dimensionen basiert auf dem Prinzip, daß jedes
der zu übertragenden Maße ein Bruchteil des benutzten Maßstabes ist. Darüber
hinaus weist die Einteilung des beschriebenen Lineals eine bemerkenswerte
Übereinstimmung mit der von Vitruv vorgenommenen Unterteilung der
Körperhöhe eines wohlgestalteten Menschen auf. Während Philon seine
Meßlatte in 6 Handbreiten aufteilt, finden wir bei Vitruv 6 Fuß. Diese größte
Einheit wiederum besteht bei Philon aus 4 Fingerbreiten (daktyloi), bei Vitruv
aus 4 palmi (griechisch palastai, verdeutscht: Palästen), und von diesen wird je
eine Dimension nochmals gevierteilt, nämlich bei Philon in 4 Viertel-
Fingerbreiten und bei Vitruv in 4 digiti. Weiterhin bemerkenswert ist Philons
Behauptung, daß man dieses Verfahren auch auf andere Dinge anwenden
könne. Zu diesen »anderen Dingen« zählten wahrscheinlich Architektur und
Skulptur, denn in den einleitenden Worten des Buches über die
Kriegsmaschinen scheute sich Philon keineswegs, aufschlußreiche Ab-
schweifungen in andere Gebiete, etwa in die Bildhauerei oder die Baukunst zu
unternehmen.23 Allerdings ist das in diesem Zusammenhang erwähnte Traktat
nicht erhalten, doch handelte es sich dabei um ein Einleitungsbuch, und man
kann annehmen, daß Philon sich dort nicht strikt auf die Abhandlung me-
chanischer Probleme beschränkte.
Grundsätzlich sind die griechisch Kanones (Kavoveg) und lateinisch regulae
genannten Richtscheite oder Lineale, zu denen auch Philons Kanonion
(kovöviov) genannter Maßstab gehört, nach drei Kategorien zu unterteilen. Sie
22 PHILON BYZANTINUS, Belopoeika 55.12-56.6., deutsche Übers, zit. nach H. DIELS/E.
SCHRAMM, Philons Belopoiika, in: Abhandlungen der Preußischen Akademie der Wissen-
schaften, Philos.-Hist. Klasse, 1918, Nr.12, S.18-19; griech. Text ebd. und bei E. W. MARSDEN,
Greek and Roman Artillery. Technical Treatises, Oxford 1971.
23 PHILON BYZANTINUS, Belopoeika 50.4-51.7; zu Philon vgl. MARSDEN, Greek and
Roman Artillery, S.11-12.