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Zöllner, Frank; Botticelli, Sandro [Ill.]
Sandro Botticelli — München, Berlin [u.a.]: Prestel, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.73564#0101
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Topos der antiken Literatur. So ist in dem erstmals um 1473 gedruckten Lehrgedicht
»De rerum natura« des Lukrez (4.132-140; 4.735-744) von Phantasiebildern die Rede,
die ein Betrachter in den mannigfaltigen Formationen der Wolken wahrzunehmen
vermeint. Diese Phantasiebilder hat bekanntlich Andrea Mantegna mehrfach in sei-
nen Gemälden dargestellt, beispielsweise in Gestalt eines Reiters im Martyrium des
hl. Sebastian (Wien) oder in Form monströser Köpfe in einer der Tugendallegorien
für Isabella d'Este (Paris) und im dritten Bild der Triumphe Caesars (Hampton
Court). In den drei genannten Fällen werden die Phantasiebilder von Wolkenforma-
tionen hervorgebracht, wie es der Text des Lukrez nahelegt. Ähnliche Bilder ver-
steckte Mantegna aber auch in den Felsformationen der bereits erwähnten Tugend-
allegorie und in einer Anbetungsdarstellung (Florenz). Von der weiten Verbreitung
dieser Idee und seiner Variationen zeugen mehrere Bemerkungen im Malereitraktat
von Leonardo da Vinci (§§ 60, 66, 189), der in dem Phänomen der hier genannten
Phantasiebilder sogar ein Mittel zur Steigerung der künstlerischen Erfindungsgabe
sah. Ob indes Botticelli bei der Gestaltung seines steinernen Profilkopfes so weit
dachte, sei dahingestellt. Den Schlußfolgerungen Leonardos (§ 60) hätte er wohl
zugestimmt: »Denn der Geist des Malers (ingegno del pittore) wird so zu neuen
Erfindungen ermuntert, sei es zur Gestaltung von Schlachten, von Menschen und
von Tieren, sei es zu verschiedenen Kompositionen von Landschaften und von unge-
heuerlichen Dingen [...].«

Aufruhr gegen das Gesetz Mosis (Die Rotte Korah),
Ausschnitt, 1481/82 [Kat. 45)

[Botticelli als Freskenmaler: Die Cappella Sistina] 99
 
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