Die Bilderzählung in Botticellis Aufstand der Rotte Korah gehört zu den aufregend-
sten der gesamten Kapelle. Sie steht unter dem Titulus »Bedrängung Mosis, Träger
des geschriebenen Gesetzes«. Kern der in drei Szenen und ausschließlich im Vorder-
grund dargestellten Handlung ist der im 4. Buch Mosis (Num 16) beschriebene Auf-
ruhr einer Gruppe von rund 250 Männern der Israeliten, die sich unter der Führer-
schaft Korahs gegen Moses und seinen Brudern, den Priester Aaron, wandten und
ihnen vorwarfen, sich über die anderen Mitglieder ihres Volkes zu erheben: »Ihr geht
zu weit! Denn die ganze Gemeinde, sie alle sind heilig, und der Herr ist unter ihnen.
Warum erhebt ihr euch über die Gemeinde des Herrn?« Diesen Angriff auf die Legi-
timität von Moses und Aaron thematisiert Botticelli in dem rechts im Fresko darge-
stellten Tumult: Eine Gruppe aufgebrachter Männer mit Steinen in den Händen
bewegt sich auf den zurückweichenden Moses zu, der sich der zudringlichen Angrei-
fer kaum erwehren kann. Daß es bei dem Aufruhr nicht allein um die Autorität des
Moses geht, sondern auch um die Legitimität ritueller Handlungen sowie um den
Respekt gegenüber dem Priester Aaron, zeigt die ebenfalls tumultartige Szene in der
Bildmitte. Hier gewahrt der Betrachter den erzürnten Moses und hinter ihm den blau
gewandeten Aaron bei einer rituellen Handlung. Ihnen gegenüber ist der von Korah
und seinen Anhängern vollzogene Ritus dargestellt, der offenbar keine Gnade vor
den Augen Gottes findet, denn die Rebellen krümmen sich unter dem Fluch des
Moses, während ihre goldenen Opfergefäße unkontrolliert in der Luft herumwir-
beln. Ganz links schließlich werden zwei Rebellen von der Erde verschlungen, zwei
weitere, wohl die Söhne Korahs (Num 26.10-11), scheinen Gnade gefunden zu
haben, denn sie schweben auf einer Wolke über dem Geschehen. Mit dieser Gegen-
überstellung von Strafe und Gnade ist der Aufruhr beendet.
Die Handlung des Freskos steht unter einer weiteren Inschrift. Sie befindet
sich auf dem Triumphbogen und besagt, daß nur Aaron, der von Gott berufene Prie-
ster, dieses Amt ausüben dürfe. Es ging in dem Gemälde also nicht allein darum,
Moses als Führergestalt und Identifikationsfigur für den Papst aufzubauen, sondern
gleichzeitig auch um die Begründung des päpstlichen Priestertums, die in der Gestalt
Aarons zum Ausdruck kommt. Mit diesem Angebot von gleich zwei Identifikations-
figuren für den Auftraggeber Papst Sixtus IV. korrespondiert sogar ein physiogno-
misches Detail in Botticellis Fresko: Tatsächlich weisen Moses und Aaron, die
hintereinander im Bildraum angeordnet sind, den gleichen Gesichtstyp auf. Dieser
Umstand fällt um so mehr ins Auge, als das Fresko mit dem Aufruhr der Rotte
Korah im Gegensatz zu anderen Gemälden Botticellis (siehe Kap. III) sehr unter-
schiedliche Gesichtstypen zeigt.
Abschließend gilt es ein Detail des Freskos zu würdigen, das in einem gewis-
sen Widerspruch zu den ernsten Darstellungsinhalten des Bildes steht. Ähnlich wie
in seinem Fresko mit der Vision des hl. Augustinus (siehe Kap. II) stellte Botticelli
dem ernsten Bildinhalt einen humoristisch gemeinten Kontrapunkt gegenüber. So
findet sich oberhalb der Attikazone des Konstantinsbogens unter den vielen Steinen
ein einzelner, der wie ein im Profil dargestellter Kopf anmutet (Abb. rechts): Deut-
lich sind die Öffnungen von Auge und Mund sowie die an den nächsten Steinquader
links anstoßende Nase zu erkennen. Mit diesem Profilkopf variierte Botticelli einen
98 [Botticelli als Freskenmaler: Die Cappella Sistina]
sten der gesamten Kapelle. Sie steht unter dem Titulus »Bedrängung Mosis, Träger
des geschriebenen Gesetzes«. Kern der in drei Szenen und ausschließlich im Vorder-
grund dargestellten Handlung ist der im 4. Buch Mosis (Num 16) beschriebene Auf-
ruhr einer Gruppe von rund 250 Männern der Israeliten, die sich unter der Führer-
schaft Korahs gegen Moses und seinen Brudern, den Priester Aaron, wandten und
ihnen vorwarfen, sich über die anderen Mitglieder ihres Volkes zu erheben: »Ihr geht
zu weit! Denn die ganze Gemeinde, sie alle sind heilig, und der Herr ist unter ihnen.
Warum erhebt ihr euch über die Gemeinde des Herrn?« Diesen Angriff auf die Legi-
timität von Moses und Aaron thematisiert Botticelli in dem rechts im Fresko darge-
stellten Tumult: Eine Gruppe aufgebrachter Männer mit Steinen in den Händen
bewegt sich auf den zurückweichenden Moses zu, der sich der zudringlichen Angrei-
fer kaum erwehren kann. Daß es bei dem Aufruhr nicht allein um die Autorität des
Moses geht, sondern auch um die Legitimität ritueller Handlungen sowie um den
Respekt gegenüber dem Priester Aaron, zeigt die ebenfalls tumultartige Szene in der
Bildmitte. Hier gewahrt der Betrachter den erzürnten Moses und hinter ihm den blau
gewandeten Aaron bei einer rituellen Handlung. Ihnen gegenüber ist der von Korah
und seinen Anhängern vollzogene Ritus dargestellt, der offenbar keine Gnade vor
den Augen Gottes findet, denn die Rebellen krümmen sich unter dem Fluch des
Moses, während ihre goldenen Opfergefäße unkontrolliert in der Luft herumwir-
beln. Ganz links schließlich werden zwei Rebellen von der Erde verschlungen, zwei
weitere, wohl die Söhne Korahs (Num 26.10-11), scheinen Gnade gefunden zu
haben, denn sie schweben auf einer Wolke über dem Geschehen. Mit dieser Gegen-
überstellung von Strafe und Gnade ist der Aufruhr beendet.
Die Handlung des Freskos steht unter einer weiteren Inschrift. Sie befindet
sich auf dem Triumphbogen und besagt, daß nur Aaron, der von Gott berufene Prie-
ster, dieses Amt ausüben dürfe. Es ging in dem Gemälde also nicht allein darum,
Moses als Führergestalt und Identifikationsfigur für den Papst aufzubauen, sondern
gleichzeitig auch um die Begründung des päpstlichen Priestertums, die in der Gestalt
Aarons zum Ausdruck kommt. Mit diesem Angebot von gleich zwei Identifikations-
figuren für den Auftraggeber Papst Sixtus IV. korrespondiert sogar ein physiogno-
misches Detail in Botticellis Fresko: Tatsächlich weisen Moses und Aaron, die
hintereinander im Bildraum angeordnet sind, den gleichen Gesichtstyp auf. Dieser
Umstand fällt um so mehr ins Auge, als das Fresko mit dem Aufruhr der Rotte
Korah im Gegensatz zu anderen Gemälden Botticellis (siehe Kap. III) sehr unter-
schiedliche Gesichtstypen zeigt.
Abschließend gilt es ein Detail des Freskos zu würdigen, das in einem gewis-
sen Widerspruch zu den ernsten Darstellungsinhalten des Bildes steht. Ähnlich wie
in seinem Fresko mit der Vision des hl. Augustinus (siehe Kap. II) stellte Botticelli
dem ernsten Bildinhalt einen humoristisch gemeinten Kontrapunkt gegenüber. So
findet sich oberhalb der Attikazone des Konstantinsbogens unter den vielen Steinen
ein einzelner, der wie ein im Profil dargestellter Kopf anmutet (Abb. rechts): Deut-
lich sind die Öffnungen von Auge und Mund sowie die an den nächsten Steinquader
links anstoßende Nase zu erkennen. Mit diesem Profilkopf variierte Botticelli einen
98 [Botticelli als Freskenmaler: Die Cappella Sistina]